Das Geheimnis der Heiligen Stadt
war ein ehrbarer Verrat, und es waren Feinde«, sagte Roger ernsthaft. »Aber an so einer verschlagenen Arglist würde er sich nie beteiligen!«
»Denkst du!«, murmelte Geoffrey für sich.
»Du dienst nun drei Herren. Und keiner von ihnen traut dem anderen. Und jeder kann dich zerquetschen wie eine Fliege«, stellte Roger weise fest. »Du solltest besser hoffen, dass Tankred die Schlacht um Haifa überlebt, die er offenbar so begierig erwartet. Ohne seinen Schutz könntest du in arge Schwierigkeiten kommen.«
Geoffrey schwieg eine Weile. »Die Fürsten dieses Landes sind wie griechisches Feuer«, stellte er schlieÃlich fest. »Eine furchtbare, zerstörerische Waffe, die beinahe unmöglich zu löschen ist, wenn sie einmal brennt. Es ist eine Mischung aus Pech, Schwefel, Naphta und Kolophonium. Jeder dieser Bestandteile für sich ist harmlos, doch zusammen sind sie tödlich. Und genau so sind die Anführer hier im Heiligen Land.«
»Griechisches Feuer ist eine groÃartige Erfindung«, sagte Roger bewundernd. »Ich möchte etwas davon mit nach Hause nehmen und es ausprobieren, wenn das nächste Mal die Schotten zum Plündern nach Durham kommen.«
Geoffrey verdrehte die Augen und lieà das Thema ruhen.
»Während du mit Daimbert geplaudert hast, habe ich ein wenig im hinteren Teil des Raumes herumgestöbert«, berichtete Roger kurz darauf. »Da gibt es eine Tür mit einem schweren Riegel. Heute führt sie nur zu einem Abstellraum, doch bevor der Patriarch in den Palast gezogen ist, war dort vielleicht so etwas wie eine Schatzkammer. Wie auch immer, an dem Riegel war ein Seil befestigt. Wenn man das Seil am Riegel und das an Dunstans Hals zusammennimmt, dann würde ich sagen, dass es vom Riegel über die Oberkante der Tür gelegt worden war und benutzt wurde, um ihn aufzuhängen.«
Geoffrey nickte. »Ich habe die Tür gesehen. Und ich habe auch den Hocker gesehen, der umgekippt daneben lag. Ich glaube, Dunstan hat sich die Schlinge selbst umgelegt und ist dann von dem Hocker gesprungen, um sich das Genick zu brechen. Der Hocker wurde dabei umgestoÃen. Irgendwer, vielleicht Marius, muss ihn dort aufgefunden haben. Er hat ihn abgeschnitten und lieà es wie einen Mord aussehen. Doch in Wahrheit hat Dunstan Selbstmord begangen.«
»Was? Bist du sicher?«
»Nicht ganz. Aber alles deutet darauf hin. Der Strick um Dunstans Hals war zu einem Knoten gebunden, was ungewöhnlich wäre, wenn man jemanden erwürgen will. Sein Genick war gebrochen, und das passt besser zu einem Sprung in den Tod als zu langsamer Strangulation. Und das Seil war dick und fest â die Art von Seil, die man wählen würde, wenn man Selbstmord begehen möchte und nicht riskieren will, dass alle Mühen durch ein zerreiÃendes Seil zunichte gemacht werden.«
»Doch warum sollte Marius vorgeben, dass Dunstan ermordet wurde? Marius behauptete, er wurde erwürgt und nicht aufgehängt.«
»Vielleicht waren sie gute Freunde, und Marius wollte Dunstan nicht dazu verdammen, als Selbstmörder in ungeweihter Erde verscharrt zu werden. Vielleicht dachte er, dass wir eher glauben würden, dass Dunstan durch Erdrosseln ermordet wurde als durch Hängen. Es dürfte wohl auch ziemlich schwierig sein, einen Mann hinterrücks aufzuhängen, ganz besonders dann, wenn der Mörder alleine ist.«
»Ich würde das leicht schaffen«, versetzte Roger ungerührt. »Erst zerrt man die Schlinge über den Kopf, dann wirft man das Seil über eine Tür und zieht daran wie der Teufel.«
»Aber du bist auch stärker als die meisten Männer«, strich Geoffrey heraus. »Und wenn du tun würdest, was du da angedeutet hast, dann würdest du dein Opfer zu Tode würgen, aber ihm nicht das Genick brechen. AuÃerdem waren Dunstans Fingernägel unbeschädigt, und hätte man ihn erwürgt, hätte er ganz bestimmt mit den Händen an der Schlinge gezerrt.«
Roger dachte nach. »Das hätte er vermutlich«, räumte er schlieÃlich ein, nach einigen Grimassen und Ãchzern, die stets seinen Denkprozess begleiteten. »Doch wir müssen unsere Zeit nicht damit verschwenden, uns darüber den Kopf zu zerbrechen. Marius wird es uns erzählen.«
Sie erreichten die Zitadelle und gaben die Pferde in die Hände eines Pflegers. Geoffrey wollte so schnell wie möglich auf
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