Das Geheimnis der Heiligen Stadt
als Geschenk für jemand anders vorbereitet â womöglich für Marius?«
Geoffrey nahm Rogers Dolch und stocherte an der Verpackung herum. Die innere Hülle war aus einer Art Pergament, das speziell dafür gemacht war, Fett aufzunehmen. Doch die äuÃere Verpackung war von einer Art, wie man sie auf dem Marktplatz nahe der Pharos-StraÃe im Griechenviertel verwendete. Die Kuchen waren ebenfalls unverwechselbar und trugen ein ungewöhnliches Muster aus Zuckerguss auf der Kruste. Vermutlich konnten sie leicht in Erfahrung bringen, welche Bäckerei bei der Pharos-StraÃe die Kuchen gebacken hatte. Womöglich lieà sich sogar feststellen, wann. Wo man allerdings das Gift hinzugefügt hatte, wäre nicht so leicht herausfinden, vor allem, da es vielleicht sogar Dunstan selbst hineingetan haben konnte. Aber irgendwo mussten sie anfangen, und die Bäckereien waren gewiss ebenso gut wie jeder andere Ort.
Geoffrey warf einen Blick aus dem Fenster und stellte fest, dass am Horizont allmählich Licht heraufzog. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Bäcker ihre Verkaufsstände öffneten und er mit seinen Nachforschungen anfangen konnte. Er seufzte und räkelte sich und wandte sich dann wieder den Pergamentstreifen aus Dunstans Pult zu. Geoffrey wünschte sich, er hätte Mariusâ Pult ebenso durchsuchen können, aber er hatte nicht gewusst, welches das war, und es hätte verdächtig gewirkt, wenn er gefragt hätte.
»Was machst du da?«, murmelte Roger. Er war auf der Bank an der Wand halb eingeschlafen, obwohl seine Haltung sehr unbequem wirkte. Hugo war auf dem Bett bereits eingeschlummert.
»Ich versuche herauszufinden, ob die Pergamentreste aus Dunstans Pult mir irgendeinen Hinweis bieten.«
»Ich halte nichts von diesen ganzen Schnörkeln und Krakeln«, sagte Roger träge. »Die bringen nur Schwierigkeiten.«
Da spricht ein wahrer Analphabet , dachte Geoffrey. Als ob Reden nicht dieselben Nachteile haben konnte. Er untersuchte einen Streifen im gelben Lampenlicht und legte ihn beiseite, als er erkannte, dass er nur zum Reinigen von Schreibfedern benutzt worden war. Das nächste Pergament enthielt eine Aufzählung von Schriftrollen, in denen es um die Geschäfte mit einem Tuchhändler ging, und das nächste war eine Liste mit Beutegut, das aus einem Haus im Judenviertel geraubt worden war. Wieder ein anderes Pergament enthielt eine Ansammlung sinnloser Wörter und Phrasen in den unterschiedlichsten Schreibstilen, als hätte Dunstan erproben wollen, wie viele verschiedene Handschriften er beherrschte. Geoffrey fragte sich, ob das eine Bedeutung hatte. Daimbert hatte Dunstans Handschrift gelobt, also war der Mann vielleicht in der Lage gewesen, die Handschriften anderer Leuten nachzuahmen. Diese Fähigkeit wäre dem Patriarchen gewiss sehr nützlich gewesen.
Geoffrey fühlte sich immer müder, eingelullt vom einschläfernden Flackern des bernsteinfarbenen Lampenlichtes. Plötzlich fuhr er hoch und war hellwach, als er erkannte, was er gerade las. Der Text war unvollständig, denn jemand hatte das Pergament zerrissen. Trotzdem waren noch genug Worte zu erkennen, um das Wesentliche zu erraten. Der Text war in Griechisch geschrieben und daher vermutlich für die meisten, wenn nicht sogar für alle anderen Schreiber im Dienste des Patriarchen unverständlich.
»⦠Ihr werdet zustimmen ⦠nicht ⦠andere davon erfahren ⦠der Schaden ⦠wäre nicht wieder gutzumachen ⦠aber ⦠geringfügige Zahlungen ⦠hinterlegt ⦠am heiligen â¦Â«
Geoffrey rieb sich über das Kinn. Es war kein Genius nötig, um zu erkennen, worauf dieser Brief hinauslief. Er lieà den Empfänger wissen, dass der Absender über einige Dinge Kenntnis hatte, von denen andere besser nichts erfahren sollten, weil andernfalls vielleicht irgendein nicht wieder gutzumachender Schaden eintreten könnte. Doch gegen einen Preis würde dieses Geheimnis gewahrt bleiben, vorausgesetzt, dass gewisse »Zahlungen« bei der Grabeskirche hinterlegt wurden.
War diese Nachricht an Dunstan gerichtet, oder stammte sie von ihm? Und wenn sie von ihm stammte, hatte er sie im Auftrag eines anderen geschrieben oder im eigenen Interesse? War die Nachricht ein Original oder nur ein grober Entwurf, der später noch sorgfältiger ausformuliert werden sollte? Geoffrey stöberte in dem
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