Das Geheimnis der Heiligen Stadt
Stapel nach dem Pergament, auf dem Dunstan seine Handschrift geübt hatte. Er verglich es mit dem Erpresserbrief. Zuerst dachte er, er hätte sich geirrt, doch dann fand er am unteren Rand eine Zeile, in der die Schrift ein wenig nach rechts geneigt war und die Buchstaben gewisse charakteristische Schnörkel aufwiesen. Dunstan hatte hier lateinische Buchstaben geübt.
Geoffrey untersuchte das Blatt genauer, und fast wäre es in Flammen aufgegangen, als er damit zu nahe an die Lampe kam. Er bemerkte, dass in der Schreibfeder so etwas wie eine Kerbe gewesen sein musste, denn in der Schrift fanden sich seltsame Unsauberkeiten, die man erst bei genauestem Hinsehen erkennen konnte. Als Geoffrey das Ãbungsblatt untersuchte, fielen ihm dieselben UnregelmäÃigkeiten auf, und das legte nahe, dass dieselbe Feder benutzt worden war.
Er stöberte in seinen Taschen und fand die Schriftrolle, die die Aufzeichnungen von Dunstan und Marius enthielt. Diese waren in zwei verschiedenen Handschriften ausgeführt. Die eine wies deutliche, gerundete Buchstaben auf und war mit einer Feder mit breiter Spitze geschrieben worden, während die andere eine hastige, krakelige Schrift mit ungleichmäÃig geformten Buchstaben war. Doch die verräterischen Unsauberkeiten fanden sich auch dort und zeigten, dass die zweite Passage ebenfalls mit der beschädigten Schreibfeder geschrieben war.
Geoffrey stützte die Ellbogen auf den Tisch und starrte auf die unzuverlässigen Hinweise. Zwei Schreiber hatten die Schriftrolle verfasst. Einer von ihnen hatte auch den Erpresserbrief geschrieben, und derselbe hatte ebenfalls unterschiedliche Handschriften geübt. Da die Notiz und das Ãbungsblatt von Dunstans Pult stammten, lag es nahe, dass er der Ãbeltäter war. In diesem Falle hatte er die Notiz an jemand anders geschickt oder schicken wollen.
Doch war Dunstan nun ein Erpresser oder einfach nur ein Auftragsschreiber? War der holprige Entwurf ein Diktat? Und wenn es das war, von wem stammte es? Von Daimbert? Tankred? Bohemund? Geoffrey schloss die Augen. Wenn es ein Diktat war, dann konnte buchstäblich jeder in der Stadt dahinter stecken, der über genug Mittel verfügte, um einen Schreiber zu bezahlen.
Geoffrey rieb sich den Nasenrücken. Er würde heute noch einmal im Skriptorium vorbeischauen und Dunstans Mitbrüder über private Kunden befragen müssen, die der Schreiber vielleicht gehabt hatte, oder über irgendwelche geheimnisvollen Treffen. Und ob er regelmäÃig Päckchen mit griechischen Kuchen erhielt oder erwarb.
Hugo bewegte sich im Schlaf und nuschelte etwas. Geoffrey wandte sich um und blickte ihn an. Vielleicht sollte er sich auf den Mann in der Zitadelle konzentrieren, der Marius ermordet und auch Hugo beinahe getötet hatte. Helbye schwor, dass niemand nach Sonnenuntergang die Zitadelle verlassen oder betreten hatte auÃer Geoffrey selbst, und Helbye hatte keinen Grund zu lügen. Geoffrey massierte sich die Nase heftiger und versuchte nachzudenken. Wenn er an Schurken dachte, kam ihm als Erster Courrances in den Sinn. Geoffrey konnte ihn nicht leiden, und er wusste, dass die Abneigung auf Gegenseitigkeit beruhte. Der Johanniter würde es liebend gern sehen, dass Geoffrey in Ungnade fiel, und er mochte sehr wohl irgendeine unangenehme Intrige anzetteln, um ihm zu schaden. Aber würde er auch einen Mönch wie Marius ermorden, einen Gefolgsmann Gottes, der er selbst auch war, um seiner Intrige zum Erfolg zu verhelfen? Oder einem Ritter wie Hugo Schaden zufügen, einem Waffenbruder aus der Zitadelle? Geoffrey entschied, dass Courrances davor nicht zurückschrecken würde.
Dann gab es da noch Warner de Gray und Henri dâAumale. Beide waren gelegentlich schon Geoffreys wachem Verstand zum Opfer gefallen. Geoffrey gab sich groÃe Mühe, andere Leute nicht durch seine Gelehrsamkeit dumm dastehen zu lassen, aber Warner und dâAumale waren durch ihre Bigotterie und ihre Arroganz eine ernsthafte Herausforderung für seinen guten Willen. Seine überlegenen Schwert- und Reitkünste machten Warner zum anerkannten Führer der Ritter des Vogts, und der etwas gescheitere, aber träge dâAumale war seine rechte Hand. Sie beide betrachteten Geoffreys Lerneifer mit Verachtung, und er verachtete seinerseits ihre stolz zur Schau getragene Unwissenheit.
Geoffrey zerbrach sich den Kopf nach anderen Verdächtigen, doch sie alle traten weit
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