Das Geheimnis der Heiligen Stadt
wusste er bereits, dass er niemals erfüllt werden könnte. Von nun an musste er Roger mit derselben Vorsicht begegnen wie Courrances.
»Nachdem Courrances fort war, versuchte ich, die Türen zu öffnen. Aber sie waren blockiert«, fuhr Roger fort und legte besorgt seinen kräftigen Arm unter Geoffreys Ellbogen. »Ich nahm an, du würdest nach einem anderen Ausgang suchen, und stieà auf diese Schwachstelle hinten am Stall. Allmählich wurde es unangenehm. Rauch stieg aus dem Dach, und überall flogen Funken. Dann aber glaubte ich, neben all diesem Prasseln und Knistern ein Kratzen zu hören. Ich schlug die Wand ein und fand dich genau auf der anderen Seite.«
»Was für ein Glück, dass du daran gedacht hast, auf der Rückseite nachzusehen«, sagte Geoffrey. Er wischte mit dem Ãrmel durch sein ruÃiges Gesicht.
»Ich weiÃ, wie du denkst«, behauptete Roger mit plötzlichem Grinsen. »Freunde wissen das nach einer Weile.«
Geoffrey fühlte sich plötzlich schuldig.
»So wie wir aussehen, können wir nicht zurück in die Zitadelle«, wechselte er schroff das Thema und schnüffelte vorsichtig an dem beiÃenden Rauchgeruch, der seine Kleidung durchzog. »Es könnte uns verraten.«
»Ich kenne ein Badehaus hier in der Nähe. Dort geht es einigermaÃen sauber zu«, schlug Roger vor.
Geoffrey schreckte vor dem Wort »einigermaÃen« zurück, lieà sich aber durch das Labyrinth der Gassen etwa in Richtung des Patriarchenpalastes führen. Roger bewegte sich durch die Schatten wie eine groÃe Katze, beinahe so flink und leichtfüÃig wie der kleinere, beweglichere Geoffrey. Sie verursachten kaum ein Geräusch. Wenn ihnen jemand entgegenkam, verschmolzen sie mit den Schatten. In stillschweigender Ãbereinkunft ging einer von ihnen voraus, während der andere gelegentlich stehen blieb und sich versteckte, um festzustellen, ob sie verfolgt würden. Aber nichts deutete darauf hin. Geoffrey war meist vorsichtig, wenn er nachts drauÃen unterwegs war. Doch für Roger galt das selten. Geoffrey kam zu dem Schluss, dass die Geschehnisse dieser Nacht Roger wahrhaft erschüttert haben mussten, wenn er seine übliche Selbstsicherheit verloren hatte.
Endlich hielt Roger vor einem unauffälligen Haus an und sah sich sorgfältig um, ehe er klopfte. Die Tür wurde sofort geöffnet, und man lieà die beiden Ritter ein. Nach einer raschen Musterung führte man sie einen gefliesten Flur entlang, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Es ging eine Treppe hinab in einen Raum im Untergeschoss. Hier war es kühl, beinahe kalt, und es standen mehrere Zuber da. Das Wasser darin war ganz gewiss nicht frisch, aber sauber genug, dass Geoffrey den Grund sehen konnte. Gerade eben sauber genug.
Der Badeknecht musterte Geoffrey und Roger zweifelnd und gab dann einen kräftigen Schuss Duftöl in das Wasser.
»Wir werden riechen wie die Huren«, murmelte Roger missbilligend. Aber er legte seine schmutzige Kleidung ab und drückte dem Badeknecht das unordentliche Bündel in die Hand. Geoffrey tat es ihm gleich und kletterte dann in einen Zuber. Er verzog das Gesicht, als er die stechende Kälte spürte.
»Ich hasse das«, beklagte er sich bei Roger und versuchte, ein Zähneklappern zu unterdrücken.
»Mein Vater hat einmal ein Bad genommen«, sagte Roger im Plauderton. »Er meinte, es wäre eine Erfahrung, die jeder Mann einmal in seinem Leben machen sollte.«
»Weshalb?«, fragte Geoffrey gereizt. »Um das sündige Fleisch zu kasteien? Oder die Wollust zu zügeln?«
»Damit er es beim nächsten Mal besser weià und es kein zweites Mal versucht«, stieà Roger mit einem brüllenden Gelächter hervor, das im Kellerraum widerhallte und den Knecht aufgeregt herbeieilen lieÃ.
»Gut«, sagte Geoffrey und machte Anstalten herauszuklettern, »das reicht.«
»Du musst noch deinen Kopf untertauchen«, wandte Roger ein, der sich in seinem Bad suhlte wie ein Schwein. Geoffrey schaute bestürzt zu ihm hin. »Dein Haar stinkt nach Qualm. Du musst richtig untertauchen.« Er nickte dem Knecht zu, und Geoffrey fühlte, wie kräftige Hände ihn nach unten drückten. Er zappelte und wehrte sich, aber das Ãl machte die Ränder schlüpfrig, und er war wehrlos, bis der Knecht sich zufrieden zeigte.
»Erst eine Feuerprobe und dann eine
Weitere Kostenlose Bücher