Das Geheimnis der Heiligen Stadt
Wasserprobe«, murmelte Geoffrey, während er hinauskletterte und sich auf den überschwemmten Boden stellte.
Bis ihre Kleidungsstücke gewaschen waren, saÃen sie in Handtücher eingewickelt da. Geoffrey gab vor zu dösen, da er zu verwirrt von allem war, was er erfahren hatte: Es beunruhigte ihn, dass Roger zwar versucht hatte, Hugo zu ermorden, aber für Geoffrey sein Leben riskiert hatte. Das war ihm unverständlich. Vielleicht war es doch nicht Roger, der Marius getötet hatte. Vielleicht war es Courrances gewesen. Immerhin hatte dieser seine mordlustige Ader bewiesen, als er Geoffrey im brennenden Stall einschloss. Aber eine mordlustige Ader besaÃen alle Ritter, sinnierte Geoffrey, denn darum ging es ja im Krieg. Selbst Geoffrey war gelegentlich von Blutdurst überwältigt worden, insbesondere nach einer langen Belagerung oder wenn es gegen Lothringer ging.
Ihre Kleider wurden zurückgebracht â gewaschen, gebürstet und so lieblich duftend wie noch nie. Es war ein angenehmes Gefühl, und Geoffrey entschied, nicht wieder vier Jahre bis zum nächsten Bad zu warten. DrauÃen war die Luft noch angenehm kühl, obwohl die Morgendämmerung nicht mehr fern war. Geoffrey atmete tief ein und hustete. Er spürte noch die Nachwirkungen des Qualms tief in seinen Lungen.
Während sie durch die StraÃe liefen, in der Melisendes Haus gelegen war, hielt Geoffrey sich noch tiefer im Schatten. Roger folgte seinem Beispiel ohne weitere Fragen. Hinter den oberen und den unteren Fenstern waren schwache Lichter zu sehen. Allerdings war es nicht ungewöhnlich für Bäcker, lange vor Tagesanbruch wach und fleiÃig zu sein. Dennoch war Geoffrey neugierig und trat näher heran, um festzustellen, ob er durch die Fensterläden etwas sehen konnte.
Zu Geoffreys Glück gab es eine Ãffnung im Holz, die ihm einen hervorragenden Blick in den Raum dahinter gewährte. Melisende und Maria saÃen gemeinsam am Tisch. Maria hatte geweint, und auf ihrer Wange war ein kräftiger blauer Fleck zu sehen. Melisende schien zuzuhören, was Maria zu sagen hatte. Es bedurfte keiner groÃen Vorstellungskraft, um zu dem Schluss zu kommen, dass Maria nach dem Aufruhr bei Abdul geradewegs in die Sicherheit und Behaglichkeit von Melisendes sauberem und freundlichem Heim geflüchtet war. Maria musste zugegeben haben, woher sie kam â denn Melisende war keine Närrin, und sie würde sofort einen Zusammenhang zwischen Marias Bluterguss und einer nächtlichen Schlägerei bei Abdul erkennen. Das bedeutete, dachte Geoffrey, dass Maria vielleicht auch Melisende berichtet hatte, dass sie dort mit ihm gesprochen und er ihr allerlei Fragen gestellt hatte. Denn warum sollte Maria sein Geheimnis bewahren, wenn er ihres nicht länger bewahren musste?
Er blickte sich um, um festzustellen, was Roger trieb. Wie würde der wohl reagieren, wenn er bemerkte, dass Geoffrey seiner Komplizin nachspionierte? Aber Roger tat genau das, was er normalerweise in einer solchen Situation getan hätte: Er streifte im Dunkeln umher, um festzustellen, ob sie nicht beobachtet wurden.
Geoffrey war für den Augenblick zufrieden gestellt und drückte wieder sein Auge gegen die Lücke. Er versuchte zu hören, was gesprochen wurde. Aber so angestrengt er auch lauschte, er konnte nur gelegentlich ein Wort verstehen, und nichts von Bedeutung. Die beiden Frauen schienen über Kuchen zu reden, denn es fielen Worte wie »Rosine« und »Mandel«. Dann stand Maria auf und ging auf das Fenster zu. Ihre nächsten Worte lieÃen eine ganze Reihe neuer Fragen durch Geoffreys Gedanken rasen.
»Nun gut, wenn du sie nicht vergiftet hast, wer dann?«
Geoffrey sprang zurück ins Dunkle, als die Tür aufging und Melisende heraustrat. Ihr folgte eine weitere, gröÃere Person, die in eine dunkle Robe gehüllt war. Geoffrey blickte sich um und stellte fest, dass Roger ebenfalls nicht mehr zu sehen war. Melisende sah rasch nach links und rechts und folgte dann der StraÃe. Die Gestalt mit der Kapuze ging neben ihr her.
Roger flüsterte Geoffrey leise ins Ohr: »Folgen wir ihr?«
»Ich werde ihr folgen«, flüsterte Geoffrey. »Du bleibst hier und beobachtest Maria.«
Roger nickte, aber in der Dunkelheit konnte Geoffrey seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. War Roger sich bewusst, dass Geoffreys Plan auf Misstrauen beruhte, oder glaubte er, dass Geoffrey es
Weitere Kostenlose Bücher