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Das Geheimnis der Herzen

Das Geheimnis der Herzen

Titel: Das Geheimnis der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Holden Rothman
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endgültig der Dunkelheit gewichen, und mit der Dunkelheit war die Stille gekommen. Es wurde nicht mehr gehupt, und die Straßen leerten sich. Jakob hatte sich gerade wieder eine seiner starken, selbst gedrehten Zigaretten angezündet. Er war in Mantel und Hut gehüllt, trug aber noch keine Handschuhe. »Deprimierend«, murmelte er, sobald ich durch die Haustür kam.
    Ich dachte, er spreche von Samuel Clarke, und begann, von dem eigenartigen Ausdruck auf dem Gesicht unseres Mentors zu erzählen und dass es mich, ganz im Gegenteil, fast froh gestimmt habe, ihn zu sehen.
    »Ich meine den Krieg«, entgegnete Jakob.
    Es war alles ein Irrtum gewesen. Der Waffenstillstand war nicht unterschrieben worden, der Krieg war offenbar gar nicht zu Ende. Ich schlug die Hände vors Gesicht. Dabei hatte ich doch bereits angefangen zu planen! Schon oben bei Samuel Clarke hatte ich mir überlegt, wie ich in den nächsten Tagen meine Überfahrt nach Europa vorbereiten wollte. Denn dies bedeutete das Kriegsende für mich: dass ich den Atlantik überqueren konnte.
    Nachdenklich zog Jakob an seiner Zigarette. »Die Reise muss warten.«
    Ich starrte ihn fassungslos an. Konnte er Gedanken lesen?
    »Sobald die Gewässer wieder sicher sind«, fuhr er fort und stieß eine beißende Rauchwolke aus, »bin ich weg.«
    Er hatte sich selbst gemeint. »Dann sind wir schon zu zweit«, sagte ich, wie er vorhin. Es war sowieso alles egal – ich konnte ihn ruhig in meine Pläne einweihen. Vielleicht tat es ihm ganz gut, wenn er merkte, dass es außer ihm noch andere Menschen auf der Welt gab. Ich erzählte ihm, dass ich nach Oxford wollte.
    Er unterbrach mich. »Zu Howlett?«
    Auf der Veranda war es jetzt fast vollkommen dunkel. Ich konnte im Schein seiner schlecht gerollten Zigarette nichts sehen, außer seinem Bart. »Ja«, antwortete ich.
    Unter uns glitzerte die Stadt, ein Feld aus gefallenen Sternen. Jakob gab ein seltsam kehliges Geräusch von sich. Seine Feindseligkeit gegenüber Sir William war jenseits aller Vernunft – eine primitive Reaktion. »Es gibt Dinge, die Sie nicht wissen«, fügte ich leise hinzu. »Sir William hat eine entscheidende Bedeutung in meinem Leben.«
    »Das weiß ich doch längst«, erwiderte Jakob Hertzlich schroff. »Glauben Sie mir, Dr. White – das weiß ich.«
    »Es ist nicht so, wie Sie denken.«
    »Die Frage ist nicht, was ich denke . Es ist doch unübersehbar, wie die Nase in Ihrem Gesicht, was Sie für ihn empfinden. Und genau so unübersehbar ist, dass diese Gefühle nicht erwidert werden. Er nutzt Sie aus, und Sie merken es nicht einmal.«
    Ein kalter, heller Mond hing über uns und blinzelte zwischen den Wolkenfetzen hervor, als wäre die ganze Szene eine Parodie. »Es gibt noch andere Aspekte«, sagte ich. Ich stand nahe genug bei Jakob, um die Unruhe in seinem Atem zu hören. Der Mond blinzelte wieder, und plötzlich begriff ich. Jakob Hertzlich war eifersüchtig.
    Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber das war auch nicht nötig. Wie konnte es sein, dass ich das nicht gemerkt hatte? Er hatte seine Gefühle ja nicht versteckt. Jahrelang hatte er mit allen Mitteln zu erreichen versucht, dass ich ihn beachtete. Ich hatte mich dafür entschieden, dies nicht zu sehen. Ich wurde rot, weil ich an den Abend nach der missglückten Verabredung zum Tee denken musste. Unsere nicht vollzogene körperliche Intimität hatte ihm viel mehr bedeutet, als ich je gedacht hatte.
    Jakob Hertzlich liebte mich seit vielen Jahren. Es war ein merkwürdiges Gefühl, zu erkennen, dass ich geliebt wurde. Für einen kurzen Moment stieg tiefe Zärtlichkeit in mir auf. Die Haut um meine Augen spannte sich.
    Im Dunkeln konnte Jakob Hertzlich das alles nicht sehen. Er ergriff seinen Beutel, und ehe ich ein Wort über die Lip pen brachte, marschierte er den vereisten Weg zur Straße hinunter.

VII
    DIE ÜBERFAHRT
    Wir beginnen die Reise weitab vom eigentlichen Punkt
und kommen doch nach vielen Windungen
und Zickzacklinien dort an, wo wir sein sollten .
    – GEORGE ELIOT, MIDDLEMARCH

27
    Dezember 1918
    E s war der siebte Tag der Reise, wie ich an jenem Morgen in der Messe von einem der anderen Passagiere erfuhr. Sieben Tage Sturmböen, von denen das Schiff wie ein Stück Holz in den Wellenbergen umhergeworfen wurde. Ich fühlte mich, als wäre ich gestorben. Sieben Tage oder Wochen oder Monate – ich hätte nicht sagen können, wie lange ich schon auf See war. Die Stunden flossen ineinander wie ein nicht enden wollender Strom, und es

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