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Das Geheimnis der Herzen

Das Geheimnis der Herzen

Titel: Das Geheimnis der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Holden Rothman
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gesehen hätte. Ich hätte etwas Erstaunliches vollbracht, sagte er, was die Hochachtung des Zulassungskomitees und der gesamten Fakultät verdient habe.
    Während der Dekan seinen Vortrag hielt, musterte mich Howlett. Seine Blicke zerrten an meinen Nerven. Und die anderen Herren waren noch schlimmer. Dr. Mastro hatte seine Zigarre wieder angezündet und paffte. Einmal blies er einen Rauchkringel aus, der sekundenlang über ihm hing, ehe er in meine Richtung waberte. Dr. Hingston schaute aus dem Fenster.
    Der Dekan redete immer weiter, pries meine bisherigen Studienleistungen und dass ich sehr viel Initiative gezeigt hätte, weil ich als erste Frau Redaktionsmitglied des Fortnightly geworden sei. Ich gereiche der Universität zur Ehre. Seine Worte waren eine einzige Lobhudelei, aber sein Blick wich meinem aus, wanderte umher, als wäre er auf der Suche nach etwas Interessanterem. »Und nun haben Sie sich die Medizin als Ziel auserkoren«, sagte er. Sein orangefarbener Schnurrbart war an manchen Stellen schon weiß, und ich rechnete fast damit, dass er ihn lecken würde.
    »Wie Sie die Menschen in dieser Stadt für sich eingenommen haben, ist wirklich bemerkenswert«, fuhr er fort. »Einen so hohen Geldbetrag innerhalb einer so engen Frist zusammenzubekommen ist beispiellos.«
    »Ich habe den Scheck über die gesamte Summe«, sagte ich und öffnete meine Handtasche.
    Doch der Dekan hob die Hand. »Das weiß ich«, sagte er. »Lord Strathcona hat mir telegrafisch angekündigt, dass Sie das Geld vorlegen werden. Wir wissen die Geste zu schätzen, Miss White, glauben Sie mir. Die Universität könnte das Geld gut gebrauchen. Aber hier geht es nicht nur um Geld.«
    Ich hatte den Umschlag aus der Tasche geholt und hielt ihn jetzt vor mich wie einen Schild.
    »Die Ergebnisse bisheriger Experimente mit gemeinsamen Studiengängen für Männer und Frauen sind, vorsichtig ausgedrückt, gemischt«, fuhr der Dekan fort. »In Toronto hat dieses Unterfangen, wie Ihnen vermutlich bekannt ist, zu Gewaltausbrüchen geführt.«
    Dr. Hingston wandte zum ersten Mal den Blick vom Fenster und drehte sich um. »Es ist völlig undenkbar.«
    Der Dekan berührte ihn am Arm. »Gerard«, sagte er, »ich würde das gern zu Ende führen, wenn es recht ist.« Er zwinkerte verschwörerisch, als wäre er im Begriff, die Pointe eines Witzes loszulassen, aber was dann aus seinem Mund kam, war überhaupt nicht lustig. »Ich kann beim besten Willen die McGill nicht in Aufruhr stürzen – nur wegen der Wünsche einer einzelnen jungen Dame, so intelligent und begabt sie auch sein mag.«
    Ich senkte den Blick und sah jetzt erst, dass meine Handschuhe schmutzig waren. Ein dunkler Streifen zog sich von der Spitze des linken Zeigefingers bis zur Mitte des Handtellers. Der Schmutzstreifen wurde plötzlich undeutlicher und breiter, und ich merkte, dass ich weinte. Der ganze Raum verschwamm, als hätte jemand das Dach abgehoben und den Regen hereingelassen. Nicht!, ermahnte ich mich streng. Ich versuchte, gleichmäßig zu atmen, aber es ging schwer, weil meine Brust so eng und voll war. Ich durfte es mir jedoch vor diesen Männern nicht anmerken lassen.
    »Es geht nicht nur um mich«, sagte ich. »Ich bin keine ein zelne junge Dame.« Bis heute weiß ich nicht, woher ich die Luft zum Sprechen genommen habe.
    Meine Antwort wirkte, als hätte ich Dr. Hingston einen Handschuh ins Gesicht geschleudert. »Das ist uns bekannt«, sagte er, und vor Zorn zitterten seine Stimme und seine Hände. »Ihr Beispiel ist ansteckend, Miss White. Das wissen wir alle nur zu gut. Aber glauben Sie nicht, dass Sie Felicity mit hineinziehen können. Glauben Sie das nur ja nicht!«
    Der Dekan musste wieder intervenieren und hatte diesmal wesentlich größere Schwierigkeiten, seinen Kollegen zum Schweigen zu bringen. Zu meinem Erstaunen sprang mir William Howlett zur Seite. »Miss White hat nichts Unrechtes getan, Gerard. Freundschaft ist eine Tugend. Du hast doch auch deinen Aristoteles gelesen.«
    »Freundschaft ja«, sagte Dr. Hingston. »Aber was diese junge Frau mit meiner Tochter gemacht hat, ist etwas anderes. Sie hat Felicity verhext! Und was Aristoteles betrifft – in seiner Ethik bezieht er sich nie auf Mädchen. Wo soll das denn hinführen, Miss White? Haben Sie es je zu Ende gedacht? Es sind doch nicht nur ein paar Studienjahre. Danach müssten Sie praktizieren! Haben Sie sich überlegt, was für ein Leben Sie dann führen würden?«
    »Das ist der zentrale

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