Das Geheimnis der Highlands
barsch das Wort ab, »so wie sie es seit mehr als dreißig Jahren tun, mit meinem Einverständnis, also hütet Eure Zunge, alter Mann. Wenn Ihr so sicher seid, daß sie nichts wissen, was kümmert es Euch dann, wenn ich sie kommen lasse?«
Der Heiler lächelte höhnisch. »Ich glaube nur nicht, daß wildes Herumtanzen und Singen und ekelhaft stinkende Happen von mumifiziertem Ich-weiß-nicht-was meiner Patientin guttun würden«, zischte er.
Der Hawk schnaubte wütend. Es war offensichtlich, daß der Heiler nicht das geringste über die Roma wußte, dieses stolze Volk, das aus einem Land nach dem anderen verjagt wurde, weil sie danach strebten, so zu leben, wie sie es für richtig hielten. Wie so viele, die es wagten, für das zu kämpfen, woran sie glaubten, wurden sie oft mißverstanden und gefürchtet. Die Zigeunersippe, die auf Dalkeith ihr Lager aufgeschlagen hatte, war eine enge Gemeinschaft von begabten und weisen Menschen. Obwohl man über ihren Aberglauben streiten konnte, hatte der Hawk die Erfahrung gemacht, daß viele ihrer »Instinkte« durchaus zutrafen.
Doch dieser Heiler, wie so viele andere, hatte Angst vor der Andersartigkeit dieses Volkes, und deshalb verdammte er sie. So wurde Unwissenheit zu Angst, was schnell in Verfolgungendete. Der Hawk strafte den alten Mann mit einem stahlharten Blick und knurrte: »Alles, was meine Frau heilen könnte, ist gut für sie. Es ist mir gleich, ob es sich dabei um mumifizierte Krötenhirne handelt. Oder, nebenbei bemerkt, um mumifizierte Heiler hirne.«
Der Heiler schloß den Mund und bekreuzigte sich.
Seufzend rieb der Hawk sich die Augen. Die Roma waren zumindest eine Chance. Schnell befahl er einer der Wachen vor der Tür, einen Boten ins Lager zu schicken.
»Ich glaube, Ihr macht einen großen Fehler, Mylord –«
»Den einzigen Fehler in diesem Raum macht Ihr, wenn Ihr noch einmal Euren Mund öffnet«, knurrte Hawk.
Der Heiler sprang wütend auf, und seine alten Gelenke knackten vor Protest. Mit zusammengekniffenen Lippen zog er ein steinernes, mit Wachs und einem Stopfen versiegeltes Gefäß unter seinem Umhang hervor. Er stellte es auf den Kaminsims, ließ sich mit der Dreistigkeit und Unbesonnenheit jener Menschen, die Pest, Hungersnot und Krieg überlebt und ein hohes Alter erreicht haben, zu einer letzten Unverschämtheit hinreißen und sagte: »Vermutlich werdet Ihr Euch entschließen, es zu benutzen, wenn Eure Roma versagen. Denn versagen werden sie bestimmt«, bevor er fluchtartig in einem heillosen Durcheinander von knirschenden Gelenken und wild umherbaumelnden, dürren Gliedmaßen den Raum verließ.
Hawk schüttelte den Kopf und starrte auf die von Fieberschauern geschüttelte Frau auf dem Bett. Seine Frau. Seine bezaubernde, stolze, ungestüme, sterbende Frau. Er fühlte sich so völlig hilflos.
Lydia ging durch den Raum auf ihn zu und zog den Kopf ihres Sohnes zum Trost an ihre Brust. »Hawk, mein geliebter Hawk.« Sie murmelte diese sinnlosen Laute, die nur eine Mutter kennt.
Es verging ein langer Augenblick, dann zog Hawk seinen Kopf zurück. Wenn er seiner Frau keine Erleichterung verschaffen konnte, dann wollte auch er keine Erleichterung von seiner Mutter annehmen. »Erzähle mir noch einmal genau, was im Garten passiert ist.«
* * *
»Komm, süße Hure«, befahl Adam, und Esmeralda kam.
Sie war jetzt unwiederbringlich verloren. Esmeralda wußte, wer Adam Black war, schon bevor sie zu ihm ging. Ihre Leute hatten es immer gewußt und waren daher entsprechend vorsichtig. Besonders, wenn man es mit ebendiesem zu tun hatte, denn ihn zu reizen, oder auch nur seine Aufmerksamkeit zu erregen, konnte den Todeskelch für ein ganzes Volk bedeuten. Und obwohl solch phänomenale Macht Esmeraldas Blut in fast panische Angst versetzte, so war es auch ein unwiderstehliches Aphrodisiakum.
Was hatte ihn hierhergebracht? fragte sie sich. Dies war der letzte klare Gedanke, den sie zustande brachte, bevor er begann, diese Dinge mit ihrem Körper anzustellen, die ihr Innerstes nach außen kehrten. Düster vor Leidenschaft, schwebte sein Gesicht über ihr, vergoldet durch die bernsteinfarbene Glut des Feuers unter den Eschen. Der Duft von Sandelholz und Jasmin stieg um sie herum aus der dampfenden Erde empor. Erst früh am Morgen konnte sie endlich aus seiner Schmiede kriechen.
Adam legte die Fingerspitzen aneinander und überdachte seine Strategie, während er die Frau beobachtete, die auf schwachen Beinen von seinem Zelt wankte.
»Narr!«
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