Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
verlassen.
Am Abend vor der Abreise hatte die Frau Geheime alle Insulaner zu sich bestellt. Dies sei das beste Inseljahr ihrer Ära gewesen, posaunte sie jedem, der es hören oder auch nicht hören wollte, ins Ohr. Unter ihrer Leitung würde es auch im nächsten Jahr vorangehen. Und deshalb sollten die Einheimischen die ruhige Winterzeit nutzen, um Hand an ihre Häuser zu legen. Die geheime Hofrätin hatte viele Vorschläge, wie alles der neusten Mode gemäß ausstaffiert werden sollte und versprach sogar, einen Teil der dafür aufgewendeten Kosten zu erstatten.
Jeels hatte beschlossen, dass es Zeit war, nach Bremen zurückzukehren. Hildes Briefe wurden von Mal zu Mal eindringlicher. In ihrem letzten hatte sie gedroht, ihn eigenhändig holen zu kommen. Sie verstand nicht, warum Jeels immer noch auf dem - wie Hilde es nannte - verteufelten Eiland war.
Und auch er selbst fand keine Ausreden mehr, die sein Bleiben rechtfertigten.
Anfangs hatte er insgeheim darauf gehofft, Wemke den Händen des Badearztes entreißen zu können. Doch dieser Wunsch war verschwunden, als er Dr. Hoffmann kennengelernt hatte. Er sah den Wohlstand des Mannes, den Wemke geheiratet hatte, und wusste nun auch um dessen Großherzigkeit. Dr. Hoffmann brachte ihm unbedingtes Vertrauen und Freundschaft entgegen. Wie einen Sohn behandelte er Jeels, der jederzeit und mit allen Fragen zu ihm kommen konnte.
»Sagen Sie mir, was Sie brauchen, und ich gebe es Ihnen«, hatte er gestern noch geäußert.
Jeels war fast in Versuchung geraten zu erbitten, was er wirklich wollte. Doch selbst das große Herz des Badearztes würde nicht so weit reichen, ihm die Frau an seiner Seite zu überlassen. Er hatte beobachtet, wie liebevoll der Arzt Wemkes Hand nahm, wie sich sein Gesicht veränderte, wenn er mit ihr oder über sie sprach. Dr. Hoffmann liebte seine Frau, und auch Freya schloss diese Liebe ein.
Wer war er, dies alles zerstören zu wollen? Außerdem verriet Wemkes Verhalten keinerlei Gefühle ihm gegenüber. Seit sie nicht mehr bei ihm wohnte, sahen sie sich zwar noch ab und zu, doch war es nie wieder zu einer solchen Vertrautheit zwischen ihnen gekommen wie damals am Strand oder an dem stürmischen Tag in seiner Wohnstube. Es war, als sei Wemke zufrieden mit der Sicherheit, die der Badearzt ihr bot. Er hingegen spürte jeden Tag schmerzlich die Leere, die sie in seiner Kate hinterlassen hatte. Vielleicht war alles, was er sich zusammenreimte, nur der Traum eines unreifen Kindes. Hatte es die Momente der Zweisamkeit überhaupt gegeben? Jeels wusste es nicht mehr. Er wusste nur eins: Er musste fort von hier, um sie vergessen zu können!
Krischan hatte versucht, ihn zum Bleiben zu überreden.
Als er nur stures Kopfschütteln erntete, drängte er schließlich: »Aber zumindest bis Weihnachten musst du bleiben, und auch den Olljahrsavend darfst du nicht verpassen.« Am letzten Tag des Jahres wurde, seinen Worten zufolge, auf der Insel allerhand an Schabernack getrieben.
Krischan setzte sich durch, und so hatte Jeels als Abreisetermin den ersten Tag des neuen Jahres gewählt.
Nachdem die Hofrätin die Insel verlassen hatte, waren Wemke und Freya wieder zu Konrad zurückgekehrt. Die Kleine hatte getobt, als sie Jeels’ Kate verließen. Sie wollte bei Krischan und den Tieren bleiben. Der bärtige Hüne konnte ihren Kummer nicht mit ansehen und hatte Freya schon einige Male zu einem Besuch abgeholt. Der Schaukelseehund bräuchte wieder einmal Auslauf, befand er dann und wurde stets mit Jubel begrüßt.
Konrad hatte beschlossen, den Winter auf Wangerooge zu verbringen und seine Pläne für die Zukunft auf das nächste Frühjahr verschoben. Sein Gesundheitszustand hätte eine Reise auch kaum zugelassen. Obwohl der Badearzt von den Windpocken genesen war, ging es ihm nicht gut. Immer noch war er fiebrig, und schon nach leichter körperlicher Anstrengung fühlte er sich schwach und zerschlagen. Es gelang ihm kaum, das Bett zu verlassen. Starke Hustenanfälle schüttelten seinen Körper. Jeels hatte eine Verschlimmerung seiner Asthmaerkrankung diagnostiziert, vermochte aber nichts dagegen zu tun. Wemke war froh, dass Hubert ihrem Mann zur Seite stand. Ihr selbst hatte die Hofrätin Gerlind überlassen.
Wemke pflegte Konrad liebevoll und versuchte ihn wo es ging aufzuheitern, doch das Herz war ihr schwer. Die Abwesenheit der Frau Geheimen war das Einzige, was ihr Leben erleichterte. Wie ein bleiernes Gewicht lastete die heimliche Liebe zu Jeels auf
Weitere Kostenlose Bücher