Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
ein »Hurra dem Fuchs«, mit dem natürlich Jeels gemeint war, formierten sich wieder und marschierten davon. Der Mann mit dem Sack hatte als Einziger seine Maske nicht gelüftet.
    »Der Stiesel, der verkleidet geblieben ist, das muss der Wiltert gewesen sein«, erklärte Krischan entschieden.
    »Jetzt wo du’s sagst! Donnerwetter, hast du scharfe Augen, mein Freund!«
    »Das hast du gut gemacht, Jeels. Bald wird jeder im Dorf wissen, dass du den Brauch ehrst und die Lichtträger bewirtet hast. Es ist wirklich eine Schande, dass du Wangerooge verlassen willst. Du kriegst es noch fertig, dass alle Insulaner dich mögen.«
    Jeels seufzte schwer. »So weit ist es noch lange nicht. Ich
kann nicht in kurzer Zeit vergessen machen, was jahrzehntelang in den Köpfen gespukt hat.«
    Die hellen Lichtpunkte verschwanden in der Dunkelheit, und die beiden Männer gingen zurück ins warme Haus, wo bald der Duft von Bratäpfeln die Küche durchzog. Irgendwann schallte das Geläut der Glocken wieder von ferne zu ihnen herüber. Dann begann es zu schneien. Der trockene Schnee erstickte jeden Laut. Sogar das Meeresrauschen drang nur mehr als ein Wispern bis zu ihnen. Draußen war es jetzt so still, dass Jeels fast glaubte, die vorangegangenen stürmischen Tage seien nur ein Spuk gewesen.
     
    Für Wiltert allerdings begann der Spuk gerade erst. Der Abend des Lichteinläutens war überhaupt nicht so verlaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Und als sie ihre Runde beendet hatten und im Ankerplatz saßen, geriet er auch noch mit den anderen in Streit. Mit einem Krug Bier vor der Nase fühlte Wiltert sich stark. Er machte dem Pastor lauthals Vorwürfe.
    »Zumindest Sie hätten mich unterstützen müssen, wenn schon auf euch Deppen kein Verlass ist.« Er nickte den beiden anderen Männern zu. »Ihr braucht ja nur das Geld blinkern sehen, um anzubeißen.«
    Hinrich Luts lachte. »Nun hab dich nicht so. Er hat es gut gemacht, der van Voss, und warum sollten wir ihm den kleinen Gefallen nicht tun?«
    »Wir werden seine Münzen zum Kirchgeld legen«, bestimmte der Pastor. »Und die restliche Ausbeute können wir meinetwegen wie jedes Jahr teilen. Es liegt dann bei euch, ob ihr mein Kirchensäcklein für die Armen damit füllt oder es behaltet.«
    »Ich für meinen Teil werde diesmal nicht ein Geldstück von meinem Lohn abgeben!« Mit wütender Miene griff Wiltert in seine Hosentasche und holte mit einer schnellen Bewegung die Barschaft heraus, die ihm zugesteckt worden war. Auch die
anderen machten ihre Taschen leer. Die Ausbeute war deutlich geringer als in den Jahren zuvor, und das ließ den Pastor stutzig werden. Als Wiltert aufstand und ein Münzenklirren verriet, dass er nicht alle Spenden auf den Tisch gelegt hatte, kannte der Zorn der anderen keine Grenzen.
    »Sollen wir etwa glauben, dass das ein Zufall ist? Sag, wie viel hast du in all den anderen Jahren heimlich eingesteckt?«, empörte sich der Fischer Tido.
    »Her damit«, befahl der Pastor, und auch seiner Stimme war die Wut anzuhören.
    Wiltert tat das Einzige, was ihm einfiel: Er rannte davon. Die Schanktür fiel mit lautem Krachen hinter ihm zu. Die anderen setzten dem Flüchtenden nach, und bald hatten sie den Gasthofsohn eingeholt. Unter Rufen und Schreien musste es sich Wiltert gefallen lassen, dass ihm Hemd und Hose ausgezogen und die Kleidungsstücke eingehend durchsucht wurden, bis auch wirklich nicht die kleinste Münze mehr zu finden war. Auf die Kälte und den Schneefall nahmen die Lichtträger dabei keine Rücksicht.
    Schließlich jagten sie ihn halbnackt quer durchs Dorf. Es war nur dem Gastwirt zu verdanken, der ein gutes Wort einlegte und einen großzügigen Betrag zur Wiedergutmachung anbot, dass sein Sohn nicht zum Strand getrieben und in die eiskalten Fluten getaucht wurde.
    Am Ende der Strafaktion strich der Pastor auch noch Wilterts Anteil des Bargeldes ein. »Mein Sohn, du solltest in dich gehen, was dein Tun hier auf Erden betrifft. Ich nehme einstweilen diese Gaben als ein erstes Zeichen von Reue an mich.«
    Dass die anderen ihn lächerlich gemacht hatten, ärgerte Wiltert mächtig, aber dass er kein Geld bekam, trieb ihn zur Weißglut. Denn hinter Geld war er her wie der Teufel hinter einer armen Seele. Der Lohn beim Lichteinläuten war einer der Gründe, die ihn all die Jahre bei diesem Firlefanz dabei
sein ließen. Außerdem machte es ihm Spaß, die Kinder einzuschüchtern, und es bot sich immer Gelegenheit, sich an die jungen Mädchen heranzumachen.

Weitere Kostenlose Bücher