Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
krallenartige Hand wieder um seinen Arm zu spüren, sah vor seinem geistigen Auge die hässliche rote Narbe, an der Tede van Voss die Schuld trug.
Seit dem Tag, an dem Jeels von Voss seinen Fuß auf die Insel gesetzt hatte, hörte er wieder die Stimme seines Vaters. Die Träume seiner Kindheit waren zu ihm zurückgekehrt. Und sie hatten ihn unerbittlich an seine Aufgabe erinnert. Bislang hatte er versagt! Vor dem Toten und vor sich selbst. Ja sogar vor Gott. Der Teufel hatte wieder einmal gewonnen. Wiltert hieb mit der geballten Rechten in die Luft. Jeels van Voss war sein Schicksal. Seit dieser Mann auf der Insel weilte, wollte ihm, dem sonst alles gelang, nichts mehr glücken. Aber noch war nicht alles verloren, waren nicht alle Karten ausgespielt.
Mit langen Schritten lief Wiltert durch die Dünen. Doch dann verharrte er, drehte sich um und lauschte. Spielte ihm sein Verstand einen Streich? Da meinte er doch, wieder den verdammten Köter kläffen zu hören. Eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken. Tatsächlich, das Gebell kam näher. Er stolperte einige Schritte rückwärts, und im nächsten Moment sah er den Schäferhundrüden um eine Wegbiegung kommen und auf sich zuhechten. Die Augen des Tieres schienen zu glühen, zumindest sah es aus der Ferne so aus. Panische Angst überfiel Wiltert. Er wandte sich um und begann zu rennen.
Vor ihnen loderte eine Stichflamme in die Höhe, die der Hölle zu entstammen schien. Der Wind trieb sein Spiel mit den Flammen. Rote Knospen öffneten sich funkensprühend.
Über Jeels’ Kopf stand der helle Mond, unter den Füßen spürte er den weichen Dünensand, doch auf seinen Schultern lag eine Last, die ihn fast zu Boden drückte.
»Krischan!« Jeels’ gellender Schrei ging im Sturmesbrausen unter. Brennende Reetbündel fielen ihm entgegen. Er konnte gerade noch ausweichen. »Hilf mir, schnell! Wir müssen die Tiere retten!«
Blindlings rannte Jeels auf die Stalltür zu. Das Heulen des Sturms vermischte sich mit dem Zischen und Prasseln des Feuers. Der Rauch trieb ihm die Tränen in die Augen. Er griff nach einem alten Lumpen und hielt ihn sich vor das Gesicht. Dann scheuchte er die Kühe vor sich her ins Freie. Hinter ihm sprengten die Flammen die Fensterscheiben des Stalls.
Krischan rannte nach Wasser, Sand und Decken. Es zischte, wenn das Wasser auf die Flammen traf und verdampfte. Der Wind schürte das Feuer noch. Wild loderten die grellen Flammen in den Himmel hinauf.
Anfangs war der Abstand zwischen Benno und dem Brandstifter noch groß gewesen, doch der Rüde holte beständig auf. Immer wieder sah Wiltert sich mit vor Entsetzen geweiteten Augen um. Todesangst stieg in ihm hoch. Er war ganz allein mit diesem Tier, in dessen Augen die Mordlust stand!
Ein Schrei entrang sich seiner Kehle, als er über eine Wurzel stolperte und der Länge nach hinfiel. Mit einem Satz war Benno bei Wiltert und stürzte sich knurrend auf ihn. Der Rüde schien nicht erst seit heute zu wissen, dass dieser Mann sein Gegner war. Die gefletschten Zähne des Hundes versanken tief im Oberschenkel des Brandstifters.
Mit gellenden Schreien versuchte Wiltert, das Tier abzuschütteln. Er war zwar verletzt, aber nicht zu schwach, um sich zu wehren. Er zog das Messer, das er immer bei sich trug, und stach zu. Ein Gefühl des Triumphs überkam ihn, als Benno
aufheulte. Für einen Moment ließ der Hund von ihm ab. Hoffentlich hatte er den Kläffer erledigt! Wiltert rappelte sich auf und hastete unter Schmerzen davon. Doch der Köter gab sich nicht geschlagen. Hinkend nahm er die Verfolgung wieder auf.
Das Feuer war weithin zu sehen. Laut gellte das Horn durch die Dunkelheit, und endlich kamen die Menschen aus dem Dorf herbeigeströmt. Ohne große Worte bildeten sie eine Kette und halfen Krischan und Jeels.
Letzterer war nicht mehr imstande zu fühlen oder zu denken. Es gab für ihn nur noch das rhythmische Weiterreichen des Wassers aus der Zisterne. Mit lautem Zischen prallten Feuer und Wasser aufeinander und lieferten sich einen erbitterten Kampf.
Verbissen arbeiteten die Menschen, bis endlich nur noch leichter Rauch von der Brandstelle aufstieg. Die Männer ließen einer nach dem anderen die Arme sinken und blickten erschöpft auf den Trümmerhaufen. Nicht einmal die Mauern des Stalls waren stehen geblieben.
Jeels trat wankend zur Seite und wischte sich mit dem Ärmel über das rußige Gesicht. Seine Augen wanderten zu der rauchgeschwärzten Menschengruppe. Langsam spürte er
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