Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
Damen in ihren bunten, zum Teil gefältelten Kleidern vor dem Hintergrund aus weißem Sand und grauer See. Sie mussten immer wieder ihre Röcke raffen, um über kleine Verwehungen zu steigen.
Jeels war unentschlossen. Das Dorf lag nicht weit entfernt, aber mit seinem umfangreichen Gepäck schien es nicht ratsam, zu Fuß zu gehen. Und dann, als hätte er seine Gedanken lesen können, hielt ein Einspänner neben ihm.
»Tag auch! Soll ich Sie fahren?« Der junge Mann auf dem Bock hatte ein freundliches Lächeln. Den breitrandigen Hut trug er tief ins Gesicht gezogen. Er war von kräftigem Körperbau und fing schon an, das Gepäck einzuladen, bevor Jeels eine Antwort gegeben hatte. Benno sprang in den Wagen, und Jeels nahm dankbar neben dem Insulaner Platz.
Das Dorf lag im Westen Wangerooges. Die kleinen Häuser der Insulaner standen kreuz und quer zwischen Kartoffelooooäckern und Blumengärten. Sie waren rund um die viereckige
Kirche errichtet worden, die eher einem Wehrturm glich. Zwischen den Häusern verliefen schmale Wege, die fast alle versandet waren. Jeels sah neuere Backsteinhäuser, die mit Dachziegeln gedeckt waren und jeweils mehrere Schornsteine hatten, aber auch alte Inselhäuser, bei denen es keinen Rauchabzug zu geben schien. Die Wände waren weiß gekalkt oder schwarz gestrichen. Stroh oder Reet lag auf den Dächern. Die bleiverglasten Fensterscheiben waren nicht mehr als handtellergroß und in Reihen von jeweils dreien oder vieren angeordnet.
Das größte Anwesen im Dorf schien die Vogtei zu sein. Jeels konnte das lange, große Logierhaus ausmachen und einen kleinen Park, in dem ein Pavillon stand. Vor einem der Gebäude blieb der Einspänner stehen. Der Insulaner nickte mit dem Kopf zur Tür, und zögernd stieg Jeels vom Bock.
Der Vogt, oder wer auch immer dort mit der Tintenfeder in der Hand hinter dem Schreibpult saß, hob kaum den Kopf, als Jeels eintrat. Er sah sehr amtlich aus in der blauen Damastjacke mit den silbernen Knöpfen. »Sind Sie angemeldet? Wenn ja, welches Haus?«
Als Jeels verneinte, sah der andere schließlich auf und musterte ihn. »So? Na, das macht auch nichts. Es wird nicht schwer sein, noch ein Unterkommen zu finden jetzt in dieser frühen Saison. Ich bin dabei gerne behilflich.«
Jeels deutete durch das Fenster nach draußen zu dem Einspänner, der mit seinem umfangreichen Gepäck beladen war. »Ich bin kein Sommergast. Von heute an bin ich Bewohner dieser Insel.«
Der Mann riss die Augen auf. »Haben Sie hier etwa ein Haus gekauft? Mir ist nichts dergleichen bekannt. Und auch die Hofrätin hat nichts darüber geäußert.«
Jeels durchwühlte sein Handgepäck. »Es muss eine Fischerkate im Osten der Insel geben, wo schon seit fünfundzwanzig Jahren niemand mehr gewohnt hat. Mit einem Stück Land
drumherum. Hier, die Besitzurkunde«, ergänzte er, als er schließlich fündig wurde.
»Ach, das Voss-Haus«, rief der Vogt. »Das haben Sie gekauft? Hin und wieder kam jemand vom Festland für einige Tage herüber und machte Ordnung. Aber in diesem Jahr hat noch niemand nach der Kate gefragt. Das Haus gehörte einmal einer Insulanerin. Äh …« Er stockte und schien einen Moment nach den richtigen Worten zu suchen. »Sie ist verstorben, soll aber einen Sohn haben. Hat er es Ihnen verkauft?« Die Neugier blitzte aus seinen Augen.
Jeels lächelte den Mann an. »Ich bin Jeels van Voss. Die Kate hat meiner Mutter gehört. Und jetzt möchte ich mein Erbe antreten, am liebsten gleich und sofort.«
»Oh. Tja.« Der Vogt nahm seine Mütze ab und kratzte sich am Kopf. Er schien nicht zu wissen, wie er mit der Situation umzugehen hatte. »Das ist ja mal ein Ding. Ich habe Ihre Mutter nicht mehr gekannt. Bin erst auf die Insel gekommen, als die Bartlings das Ruder übernommen haben. Und da stand das Haus schon leer.«
Er schob Jeels die Urkunde wieder zu. »Also, Sie können es ja mal in Augenschein nehmen. Aber soll ich Ihnen nicht doch lieber vorerst ein Quartier hier im Dorf besorgen?«
Jeels schüttelte den Kopf. »Es wird schon gehen. Ich werde mich bei der Inselbäckerei noch mit Brot eindecken, so muss ich wenigstens nicht verhungern.«
Der Verwalter hob die Hände. »Sie müssen das entscheiden. Die Kate liegt wirklich sehr weit vom Dorf entfernt und wer weiß, wie es dort aussieht. Eine Wasserzisterne hat sie, aber wie es drinnen und drumherum bestellt ist …«
»Ich werde es sehen«, sagte Jeels und wandte sich zum Gehen.
Der Vogt musste einsehen, dass seine
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