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Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Eiland anfangen? In der Kate wohnen, die dir deine Mutter hinterlassen hat? Dort gibt es nichts als Wellen und Wind!«
Jeels wollte Hilde unterbrechen, doch sie war noch nicht am Ende angelangt. »Wie willst du denn dort leben, Jeels? Du bist es gewohnt, satt zu werden. Du hast dieses schöne Haus geerbt und einen Beruf, der dich ausfüllt. Solange mich meine Beine tragen, will ich gerne hier für dich sorgen, mein Junge. Wovon glaubst du dich auf der Insel ernähren zu können? Willst du die Sommergäste behandeln, Fische fangen oder vielleicht das winzige Stück Land bei der Kate bearbeiten? Oder glaubst du etwa, die wenigen Insulaner können einen Arzt am Leben halten?«
    Hilde blickte den Mann, der wie ein Sohn für sie war, gramerfüllt an. »Du kannst dir nicht einmal vorstellen, wie Hunger kneift und die Seele verdirbt! Ich habe es erlebt und wünsche es dir nicht. Darum bitte ich dich, schlag dir diesen Gedanken aus dem Kopf. Ich habe mich im Leben durchbeißen müssen, habe viel Leid erfahren und hatte zuletzt Glück, bei deinem Vater eine gute Stellung zu finden. Aber du hast es immer besser gehabt, leichter. All dies hat Dr. Hanken doch nur für dich geschaffen!« Sie machte eine Handbewegung zum Fenster hin, die das Haus und den Garten einschloss. »Und nun willst du zu dieser armseligen Kate zurück. Was soll denn aus euren Patienten werden? Sie und ich«, sie legte sich die Hand aufs Herz, »wir brauchen dich!«
    Jeels liebte Hilde wie eine Mutter, und ihr Flehen tat ihm im Herzen weh. »Hilde, kannst du mich denn nicht verstehen? Ich habe das Gefühl, plötzlich am Rand eines weiten, nebelverhangenen Meeres zu stehen. Das Ufer ist mir fremd, und ich kann nichts sehen. Ich muss weitergehen, muss den Schleier lüften, um auf die offene See schauen zu können. Erst dann kann ich ein Schiff zu Wasser lassen und den mir bestimmten Weg einschlagen. Hilde, ich muss einfach wissen, wer ich bin, wo ich herkomme. Ein Leben lang habt ihr, Vater und du, mir geholfen. Aber das hier muss ich alleine schaffen. Bitte hab Verständnis!«

    Jeels stand auf, trat auf Hilde zu und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Bitte lass mich eine Weile fortgehen, und halte du die Stellung hier an der Weser.«
    Die Haushälterin tat einen tiefen Atemzug. Sie liebte diesen Burschen wie nichts anderes auf der Welt. Das hatte sie mit Thomas Hanken gemeinsam.
    »Habe ich dir jemals etwas abschlagen können?«, seufzte sie.
    Jeels lächelte. »Habe ich dein Vertrauen oder das meines Vaters jemals enttäuscht?«
    Hilde schüttelte den Kopf.
    »So werde ich es auch jetzt nicht tun. Ich werde Doktor Vogtmeier fragen, ob er die Praxis übernehmen möchte, zumindest für eine Weile. Die Patienten scheinen ihn zu mögen.«
    »Aber du kommst doch wieder?«, fragte Hilde besorgt. Jeels drückte ihre Schulter ganz fest. »Entweder ich komme hierher zu dir zurück, oder du kommst zu mir.«
    »Auf diese gottverdammte Insel?«, rief Hilde empört. »Niemals!«

6
    D asDampfschiff Telegraph pflügte sich scheinbar mühelos seinen Weg durch die Fluten. Nicht einmal einen Tag dauerte die Reise von Bremen nach Wangerooge. Jeels dachte lächelnd an die Werbung der Dampfschifffahrtsgesellschaft, wonach selbst Frauenzimmer von zarter Konstitution bei Reisen mit dem Dampfer keine Seekrankheit zu erwarten hätten. Nur in den seltensten Fällen sei bei den Fahrten zu den Inseln über das Wattenmeer mit heftigem Wind und hochgehenden Wellen zu rechnen, versprachen die Betreiber.
    Heute schaukelte eine äußerst sanfte Dünung das Schiff über die See. Jeels befand sich inmitten der Menschenmenge an der Reling. Er war von Damen mit dunklen Hauben und Umhängen sowie Herren in Frack und Zylinder umgeben. Er selbst war eher unauffällig gekleidet, trug eine braune Leinenhose, ein helles Hemd mit Weste und darüber eine leichte Jacke. Es war trotz des warmen Frühlingstages an Bord noch recht frisch. Einige missbilligende Blicke hatte Benno auf sich gezogen. Vielleicht pikierte es die anderen Reisenden, dass ein Hund an Bord war, doch Hilde hatte darauf bestanden, dass ihn das Tier begleitete.
    »Da weiß ich wenigstens, dass einer auf dich aufpasst«, war ihre Begründung gewesen.
    Benno hatte sich während der Fahrt kaum bewegt. Ihm schien die Seereise Unbehagen einzuflößen. Jeels strich ihm über den Kopf. »Bald, mein Freund, bald ist es geschafft.«

    Sie passierten eine Sandbank und mit geradezu kindlicher Neugier beobachtete Jeels mehrere Seehunde,

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