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Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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mir?«
    »Ich habe gehört …« Jeels stockte und sah hinab auf die Mütze in seinen Händen. Die Unfreundlichkeit der alten Frau verunsicherte ihn. »Ich bin Jeels van Voss. Sie sollen meine Mutter gut gekannt haben.«
    Die Alte nickte kaum merklich. »Das stimmt wohl. Reemke. Sie war ein merkwürdiges Mädchen, immer schon. Na ja, wen wundert es? Aber mir machte das nichts.«

    »Ich bin bei meinem Ziehvater aufgewachsen. Er ist gestorben, und ich habe jetzt erst erfahren, dass ich hier, auf Wangerooge, geboren wurde«, erklärte Jeels. »Von meiner Mutter weiß ich auch erst seit kurzem. Ich möchte so gerne mehr über sie erfahren. Doch niemand scheint Umgang mit ihr gehabt zu haben.« Er blickte die Alte flehend an. »Krischan hat mich zu Ihnen geschickt.«
    »Krischan.« Sie verzog den Mund. »So ein kluger Kopf, aber verbringt seine Tage damit, sich als Strandstrolch verhöhnen zu lassen, anstatt den anderen zu zeigen, was er wert ist.«
    »Ich glaube, er ist dabei, es den anderen zu zeigen. Jetzt, da er für mich arbeitet«, warf Jeels zaghaft ein.
    »Dann stimmt es also.« Sie sah ihn prüfend an. »Mein Enkelsohn hat mir davon erzählt. Und außerdem auch, dass du ihm aus der Patsche geholfen hast. Deshalb will ich mich erweichen lassen. Schließlich habe ich dazu beigetragen, dich zur Welt zu bringen. Du hast dich mächtig herausgemacht, mein Junge. Nur dieses rote Kraut ist unverändert.« Sie wies auf seinen Haarschopf.
    Die Alte trat ins Haus und kehrte mit einer Schale Wasser für den Hund zurück. Dann bat sie Jeels in ruppigem Ton herein. Er folgte ihr zögernd. Obwohl es Sommer war, lag ein beißender Brandgeruch in der Luft. Der ganze Raum schien durchdrungen davon. Durch die kleinen Fenster fiel Sonnenlicht herein und warf unförmige Schatten an die gegenüberliegende Wand. Jeels schaute sich um. Mitten im Raum standen ein Tisch und eine Bank, bei der Feuerstelle zwei Stühle, ein derber aus Holz sowie ein breiter, mit Leder bezogener. Auf ersteren hatte sich seine Gastgeberin fallen lassen, auf letzteren wies sie jetzt. Zu Jeels’ Füßen lag der Balg eines Tieres. Bei näherer Betrachtung erkannte er, dass es das Fell eines Seehundes war. Seine Augen weiteten sich, wanderten dann aber neugierig weiter. An der hinteren Wand stand eine riesige Truhe, über
der ein Gobelin in verblichenen Tönen hing. Auch auf ihm waren Seehunde zu erkennen. Im Hintergrund lagen Männer auf der Lauer, bereit, sich auf die Tiere zu stürzen.
    Direkt vor ihm bei der Feuerstelle waren allerlei Behälter aus Keramik und Zinn in verschiedenen Formen aufgereiht. Bündel mit Kräutern hingen von der Decke.
    »Setz dich endlich«, befahl die alte Frau. »Maulaffen feilhalten kannst du später noch.«
    Obwohl man der Alten kaum Höflichkeit nachsagen konnte, folgte Jeels ihrer Aufforderung. Die Frau nahm zwei Schalen, füllte sie und streckte ihm eins der Gefäße entgegen.
    »Willkommen, van Voss, auf der Insel. Ich bin Tedamöh, aber damit erzähl ich dir sicherlich nichts Neues.« Sie prostete ihm zu.
    Jeels nickte. »Ich weiß, dass Sie meinem Stiefvater geholfen haben, damals nach meiner Geburt.« Er neigte leicht den Kopf in Tedamöhs Richtung, wie um ihr zu danken. »Und jetzt sind Sie so gütig, mich zu bewirten.« Er hob seinen Becher und lächelte leicht verschmitzt. »Fast könnte man Sie für freundlich befinden.«
    »Freundlichkeit rechnet sich nicht«, erwiderte Tedamöh knapp. »Ich bin es nur im allerhöchsten Notfall, und selbst dann nützt es mir wenig.« Sie verzog das Gesicht und nickte mit dem Kopf zur Wand. »Dahinter befindet sich ein wunderschönes Quartier, das leider in diesem Jahr unvermietet bleiben wird. Die allerwerteste Frau Hofrätin hat sich an meinem Benehmen gestoßen.«
    »Ich hörte davon«, sagte Jeels bedauernd.
    Tedamöh machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es fällt mir einfach zu schwer, mich zu verstellen. Doch genug davon.« Sie verengte die Augen, atmete scharf ein und musterte Jeels prüfend. »Du bist also zurückgekehrt.« Ihre Augen schienen ihn zu durchbohren. Schließlich stieß die Alte die
Luft aus und entließ ihn aus ihrer Musterung. Sie schnalzte mit der Zunge und sagte leise: »Meine Augen sehen natürlich nur die äußere Hülle. Doch ich will wissen, wie dein Wesen ist und ob du«, sie zögerte einen Moment, »die Gabe hast. Wenn ja, wofür nutzt du sie?«
    Jeels sank ein wenig in sich zusammen. Doch dann straffte er die Schultern. Es gab nichts, wofür er sich

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