Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
seinem Liebsten das Ja-Wort zu geben. Aber sie und der Mann an ihrer Seite liebten sich nicht. Daran ließ sich nichts beschönigen.
»Nur eine ist heute glücklich«, dachte Wemke. »Die Frau Geheime kann sich freuen, dass sie ihren Willen wieder einmal durchgesetzt hat.« Doch dann biss sie die Zähne zusammen und ermahnte sich streng: »Hör auf, dich wie ein verwöhntes Kind zu benehmen. Was erwartest du denn? Es ist ein Handel, und dieses ganze Drum und Dran dient doch nur dazu, die Geschichte glaubwürdig aussehen zu lassen. Hast du etwa erwartet, dass Konrad und du euch plötzlich in die Augen sehen und ineinander verlieben würdet? Er muss heiraten, und du brauchst ein Zuhause - das ist alles. Die wenigsten Ehen werden aus Liebe geschlossen und noch weniger enden in Liebe. Heirate diesen Mann und sei zufrieden!« Mit einer energischen Geste wischte sie sich die Tränen aus den Augen.
Dann klang die Glocke zum letzten Mal. Unmittelbar darauf setzte das Orgelspiel ein und Konrad zog sie mit sich fort.
Unruhig ließ Wemke ihre Augen durch den Raum schweifen. Als ihr klarwurde, dass sie unbewusst nach dem rothaarigen Fremden Ausschau hielt, zwang sie ihren Blick nach vorne. So musste sie wenigstens den sensationslüsternen Blicken der Gottesdienstbesucher nicht begegnen. Zwei vergoldete Leuchter zierten den mit einem roten Tuch bedeckten Altar. Die Wachskerzen warfen ein warmes Licht auf das Ölgemälde mit dem Abbild Jesu.
Zwei Stühle standen davor für sie bereit, und der Pastor erwartete sie. Er hieß Johannes Wurpts, und Wemke hatte ihn gestern kennengelernt. Pastor Wurpts war ein großer, schlanker Mann mittleren Alters. Auf der flachen Nase trug er ein Augenglas, das ihm ständig nach vorne rutschte. Überschwänglich begrüßte er das Brautpaar und die Gäste, um dann, unterbrochen von einigen Liedern, die Trauung vorzunehmen. Wemke blieb von allem nicht viel in Erinnerung. Einzig die Predigt von der Liebe Gottes und der der Liebenden untereinander ließen ihr vor Verlegenheit die Röte ins Gesicht steigen. Die Worte hätten bei diesem Hochzeitshandel unpassender nicht sein können. Doch der Pastor meinte es sicherlich gut. Er lächelte dem Brautpaar zu und zeigte dabei seine ungewöhnlich großen Vorderzähne. Wemke lächelte gequält zurück.
Nach der Trauung schoss sofort die Hofrätin auf sie zu. »Was für ein wunderschönes Paar«, rief sie ein ums andere Mal.
Auch der Pastor überbrachte den Frischvermählten seine Glückwünsche. »Welch eine strahlende Braut«, sagte er lächelnd zu Wemke, die prompt errötete. »Was für ein wundervoller Tag für eine Hochzeit, Doktor Hoffmann.« Er klopfte dem Badearzt auf die Schulter. Dieser betastete verlegen das eng sitzende Halstuch und murmelte etwas Unverständliches.
Wemke spürte fast körperlich die vielen neugierigen Augen in ihrem Rücken. Sie holte tief Luft. Dann drehte sie sich strahlend um, wie man es von einer frischgebackenen Braut erwartete, und betrachtete die Menschen. Die meisten waren ihr fremd, doch diese Insulaner würden nun ihre Nachbarn werden, vielleicht sogar Freunde. Die Bäckersfrau mit ihren drei Kindern, der drahtige rothaarige Junge mit dem spitzbübischen Gesicht, die alte Insulanerin in ihrer Tracht. Der rothaarige Fremde war nicht gekommen. Wemkes Lächeln erlosch und sie schaute zu Boden. Wieso bloß bekam sie sein Bild nicht aus dem Kopf und hielt sogar heute, an ihrem Hochzeitstag, nur nach ihm Ausschau? Ohne dieses Zusammentreffen am Hafen wäre sie jetzt vielleicht nicht der glücklichste Mensch auf der Welt, aber immerhin zufrieden. Doch die Begegnung mit ihm hatte etwas in ihr wachgerüttelt.
»Er hat irgendwie etwas Weises an sich«, dachte Wemke bei sich. »So eine beruhigende Art, die einen unwillkürlich in ihren Bann zieht. Vielleicht lässt er mich deshalb nicht los.«
Doch ihr Herz wusste es besser und ließ sich nicht länger verleugnen. Plötzlich verstand Wemke, dass es das war, wovon der Pastor in seiner Predigt gesprochen hatte. Liebe. Auch wenn sie den Mann kaum kannte, eine andere Wahrheit gab es nicht. Der rothaarige Fremde hatte einen Weg in ihr Herz gefunden. Doch sie war nun nicht mehr frei.
13
D ie Insel war ihm vertraut geworden. Die Endlosigkeit des Meeres, das Auf und Ab der Dünenkette, der karge des Meeres, das Auf und Ab der Dünenkette, der karge Bewuchs und die vereinzelten Häuser an den versandeten Wegen. Er hatte auch das nächtliche Seufzen und Wispern lieben gelernt, und
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