Das Geheimnis der italienischen Braut
erledigt. Immerhin konnte ich bis nach der Geburt meines Kindes bei ihm bleiben.“
Romano hatte immer den Eindruck gehabt, Jackie sei genau wie er das Kind reicher Eltern und fühle sich sicher und geborgen. Er hatte sie sogar um ihre Schwestern und die vielen Cousins und ihre Cousine beneidet, denn er war ein Einzelkind. Aber sein Vater hatte ihm zumindest seine Liebe gezeigt, und das war offenbar etwas, was Jackie nie erfahren hatte.
Sein Vater hätte ihn niemals zu dem gezwungen, was Jackie hatte tun müssen. Auch wenn ihre Mutter die treibende Kraft gewesen war, war ihr Vater genauso verantwortlich für das, was geschehen war. Er hatte sie im Stich gelassen, indem er sich nicht für sie eingesetzt und nichts unternommen hatte, um sie glücklich zu machen, wie es eigentlich seine Pflicht gewesen wäre. Ich werde mich jedenfalls um meine Tochter kümmern und versuchen, sie nicht zu enttäuschen, nahm Romano sich vor.
„Ehe man mir ansah, dass ich ein Kind erwartete, schickte meine Mutter mich nach London zu meinem Vater. Er hat nicht ein einziges Mal mit mir über die Schwangerschaft geredet, sondern sie einfach ignoriert. Es war eine seltsame Situation für mich.“ Sie schüttelte den Kopf. „Als ich dann allein aus dem Krankenhaus nach Hause kam, also ohne meine Tochter, war er ganz offensichtlich erleichtert.“ Sie beugte sich vor, umklammerte ihre Knie und legte das Kinn darauf.
Es muss schrecklich für sie gewesen sein, sie war so jung und so verlassen, dachte Romano voller Mitgefühl.
„Wie war der Tag ihrer Geburt?“
Sie runzelte die Stirn. „Es hat geregnet.“
Er drängte sie nicht, denn er spürte, dass er die Antworten, die er haben wollte, bekommen würde. Er musste ihr nur Zeit lassen. Die Sonne fing an unterzugehen, und am Horizont färbte sich der Himmel türkisblau, während die kleinen Wellen des Sees golden glitzerten.
Es war kühler geworden, und er sah, dass Jackie erbebte. Da er kein Unmensch und auch nicht gefühllos war, zog er das Jackett aus und legte es ihr über die Schultern.
Schließlich sprach sie weiter, und er erfuhr, wie lange die Wehen gedauert hatten und dass das Kind mit einem Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden musste. Sie hatte alles ganz allein durchgestanden. Ihr Vater war auf Geschäftsreise gewesen und ihre Mutter in Italien, wo sie heile Welt spielte und die Fassade aufrechterhielt, damit niemand etwas von der Schande, die Jackie ihrer Familie gemacht hatte, ahnte.
„Wie sah Kate aus?“
Jackies Miene wurde so sanft, wie er es nie für möglich gehalten hätte. „Sie war so klein und absolut perfekt. Sie hatte dein dunkles Haar und mein Temperament.“
Er versuchte zu lächeln, es misslang jedoch kläglich, denn es schnürte ihm das Herz zusammen.
„Sie ist wirklich ganz erstaunlich, Romano“, fügte sie mit Tränen in den Augen hinzu.
„Hast du sie kennengelernt?“, fragte er verblüfft.
„Ja, sie hat mich gesucht, und vor einigen Monaten haben wir uns zum ersten Mal getroffen. Seitdem bemühen wir uns, so etwas wie eine Beziehung aufzubauen.“ Sie verzog das Gesicht. „Bisher wenig erfolgreich.“
Das wundert mich gar nicht, wenn sie Jackies Temperament geerbt hat, dachte er und betrachtete sie, während sie vor sich hin blickte. Noch nie zuvor hatte er sie so verletzlich und schutzlos erlebt.
„Ich wollte es meiner Familie nach der Hochzeit erzählen“, erklärte sie. „Kate will ihre Verwandten unbedingt kennenlernen und wissen, woher sie kommt. Doch jetzt hat Scarlett endlich zugegeben, dass du den Brief nie erhalten hast, und deshalb wollte ich zuerst mit dir reden, allerdings erst morgen, um das, was jetzt passiert ist, zu vermeiden.“
Meine Güte, was war ich für ein Dummkopf, überlegte er. Die ganze Zeit hatte er geglaubt, sie sei an einem erneuten Flirt mit ihm interessiert. Sie hatte jedoch nur eine Gelegenheit gesucht, ihm die Wahrheit zu sagen.
„Was machen wir jetzt?“, fragte sie schließlich ängstlich und unsicher.
Romano stand auf, reichte ihr die Hand, zog Jackie hoch und wartete, bis sie in die Schuhe geschlüpft war.
„Ich weiß es auch nicht“, gab er ehrlich zu. „Aber wir sollten zum Palazzo zurückgehen.“
8. KAPITEL
Ein Gefühl der Unwirklichkeit erfasste Jackie, als sie Romano beinah automatisch folgte. Doch wenige Meter vor der Terrasse blieb sie plötzlich stehen und packte ihn am Arm.
„Du musst dein Jackett wieder anziehen“, erklärte sie.
„Nein, behalte es. Dir ist kalt, das
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