Das Geheimnis der italienischen Braut
herangewachsen war, war verschwunden.
„Nein“, flüsterte sie, und plötzlich schrie sie: „Nein!“
Die Augen geschlossen, lag Jackie auf dem nach hinten verstellten Sitz und atmete tief durch, ehe sie sich versteifte. Sogleich legte Romano die Zeitung aus der Hand und beobachtete sie.
„Wir passieren gerade einige Turbulenzen“, sagte er leise und merkte, wie sich ihre Lider bewegten. „Der Kapitän hat vorhin durchgesagt, der Landeanflug auf Gatwick könne unruhig werden.“
In dem Moment öffnete sie die Augen und sah ihn traurig an. Offenbar war sie den Tränen nahe.
„Schade, dass es kein ruhiger Flug war“, meinte er.
Sie nickte nur und wandte sich ab.
Romano richtete sich auf und blickte vor sich hin. Er spürte, wie sehr seine Ruhe und Gelassenheit sie irritierten. Er war selbst überrascht über sich. Doch was wäre die Alternative gewesen? Hätte er die Beherrschung verlieren oder einen Zusammenbruch erleiden sollen? Wenn er seine Tochter in wenigen Tagen zum ersten Mal sah, wollte er ihr nicht als Nervenbündel begegnen. Das half weder ihm noch ihr.
Andererseits wollte er auch nicht mehr so oberflächlich sein wie bisher, sondern hatte die ernsthafte Absicht, sich zu bessern. Die Nachricht, dass er seit sechzehn Jahren Vater war, ließ alles in einem anderen Licht erscheinen und vermittelte ihm andere Perspektiven.
Beruflich war er sehr erfolgreich, keine Frage. Doch über sein Privatleben gab es nichts Positives zu berichten. Warum war ihm das noch nie aufgefallen?
Jackie hatte ihm vor langer Zeit einmal die Augen geöffnet, wie ihm plötzlich einfiel. Unruhig rutschte er auf dem Sitz hin und her und runzelte die Stirn.
Seitdem hatte er einiges verändert. Er war erwachsener, reifer geworden und nicht mehr das arme verwöhnte Kind reicher Eltern, sondern hatte gelernt, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
Ja, das war der springende Punkt. Zwar hatte er ein neues Verantwortungsbewusstsein entwickelt, aber nur in Zusammenhang mit seiner Arbeit und seinem Beruf handelte er verantwortungsvoll. Dass er siebzehn Jahre gebraucht hatte, um das zu begreifen, war ein weiterer Beweis seiner Oberflächlichkeit. Und wieder war es Jackie Patterson gewesen, die ihm einen Spiegel vorgehalten hatte.
Sie war es gewesen, die ihn als Teenager dazu gebracht hatte, sich selbst zu hinterfragen. Zuerst hatte ihn seine eigene Arroganz schockiert, damit war es für sie jedoch nicht genug gewesen. Sie hatte auch seine guten Fähigkeiten zutage gefördert und ihn erkennen lassen, dass er im Grunde seines Herzens ein aufrichtiger, mutiger und liebevoller Mensch war. Nach dem Tod seiner Mutter hatte er geglaubt, diese Eigenschaften verloren zu haben.
Bis zu der Beerdigung hatte er immer wieder bitterlich geweint, doch danach hatte er sich wie betäubt gefühlt. Wenn er an sie dachte, kamen keine Tränen mehr. Und das hatte ihn so beunruhigt und ratlos gemacht, dass er aufhörte, an sie zu denken, denn er befürchtete, er sei ein schlechter Mensch, weil er nichts mehr empfand. Kurz darauf hatte sein Vater angefangen, regelmäßig abwesend zu sein. Er war in allen möglichen Magazinen mit wechselnden Freundinnen abgebildet, trotzdem hatte Romano ihn nicht verurteilt. Sein Vater hatte seine Frau sehr geliebt, dessen war er sich sicher, und es war seine Art, mit dem Schmerz und Kummer über den Verlust zurechtzukommen.
Plötzlich verkrampfte sich ihm der Magen, was nichts mit dem Essen im Flugzeug zu tun hatte. Wie der Vater, so der Sohn, hatte Lisa Firenzi einmal zu ihm gesagt. Es war als Kompliment gemeint gewesen, doch es lag eine viel tiefere Wahrheit darin, die für ihn keineswegs schmeichelhaft war.
Jackie gegenüber hatte er sich damals so gezeigt, wie er wirklich war. Doch als sie ihn einfach verlassen hatte, ohne sich noch ein einziges Mal zu melden, hatte er das getan, was er immer tat. Statt sich zu fragen, warum sie so handelte, und statt sich zu bemühen, mit ihr zu reden, hatte er sogleich aufgegeben und war vor dem schrecklichen Gefühl, für eine Beziehung nicht gut genug zu sein, davongelaufen.
Mit keiner einzigen der schönen und berühmten Frauen aus der Welt der Mode, mit denen man ihn in Verbindung brachte, hatte ihn mehr verbunden als eine flüchtige Bekanntschaft. Nach der intensiven und tief gehenden Beziehung mit Jackie hatte er sich entschlossen, nur noch mit oberflächlichen und austauschbaren Blondinen zu verkehren, die ihn geradezu anbeteten. Sie hatten für ihn keine Gefahr
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