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Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christel Mouchard
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Krüge noch Weihrauch, noch einen Drachen auf diesem Haus, nur Vergoldungen, ein rundherum überstehendes Dach, gelb, grün und rot glasierte Ziegel und lange Veranden, die von bemalten Holzsäulen gesäumt wurden.
    Es war wirklich ein Haus – ein seltsames Haus, aber ein Haus. Oder genauer gesagt ein Herrenhaus, denn es war riesig, mit Nebengebäuden, überdachten Gängen, Pavillons und Gartenlauben.
    »Hier hat mein Vater also gewohnt«, murmelte Nina benommen.
    »In einem Palast …«
    »Zwei Piaster!« Nina drehte sich um. Der Rikscha-Läufer stand mit ausgestreckter Hand vor ihr.
    Noch einmal kramte Nina in ihrem Handtäschchen und holte Geld heraus, während die beiden Männer ihren Überseekoffer zum Zaun des Hauses Teng brachten. Sie zwang sich, nicht daran zu denken, was ihr an Piastern übrig blieb, und näherte sich dem merkwürdigen Gebäude mit langsamen Schritten.
    Genau in diesem Augenblick trat ein Mann aus dem Haus Teng. Er sah ganz wie ein Diener aus: gekleidet in einer Art Pyjama aus schwarzem Baumwollstoff mit chinesischem Kragen. Statt des kegelförmigen Hutes trug er ein kleines Barett und hatte einen langen geflochtenen Zopf. Er verneigte sich mit zusammengelegten Händen vor der Besucherin. Nina war kurz davor, ihn zu imitieren, als sie sich erinnerte, dass sie die Herrin und keine Dienerin war.
    »Ich bin die Tochter von Monsieur d’Armand«, sagte sie so souverän wie möglich und hob das Kinn, um ihre Überlegenheit besser zu zeigen.
    Die Antwort des Dieners machte ihre Vorstellungen von Ansprüchen mit einem Schlag zunichte.
    »Armand tot.«
    Noch einmal verneigte er sich mit zusammengelegten Händen.
    Nina schluckte den Schluchzer hinunter, der ihr in der Kehle steckte, und ballte die Fäuste.
    »Ich weiß. Ich bin die neue Besitzerin des Gutes.«
    »Gutes?«
    Der Mann sprach definitiv genauso gut Französisch wie der Rikscha-Läufer. Nina wollte gerade von Neuem mit ihrer Erklärung loslegen und versuchen, sich nicht zu ärgern, als jemand an der Hausecke erschien. Ebenfalls ein Asiat, aber ein sehr junger und in einem europäischen Anzug. Das Hemd und die weiße Hose von einer strahlenden Sauberkeit und modernem Schnitt.
    »Sie sprechen nicht zufällig Französisch«, fragte Nina ihn und vergaß, »Guten Tag« zu sagen.
    »Guten Tag, Mademoiselle, was suchen Sie denn?«
    »Ich bin die neue Besitzerin des Hauses.«
    »Die neue Besitzerin des Hauses?«
    Dem Unbekannten fiel der Unterkiefer herunter. Hätte Nina ihm gesagt, dass sie die Jungfrau Maria wäre, die auf die Erde heruntergekommen war, er hätte nicht überraschter ausgesehen.
    »Ja, ich bin nicht zurückgefahren, wie es mir empfohlen wurde. Mir lag daran, die Dinge meines Vaters selber in die Hand zu nehmen, und …«
    Ihre Erklärungen schienen die Situation nur zu verschlimmern. Der Mann sah sie an, als wäre sie eine Verrückte, sodass Nina auf den Gedanken kam, alles könnte ein Missverständnis sein.
    »Ich bin doch auf dem Gut Teng, oder?«
    »Ja, aber, wenn Sie mir verzeihen, könnte ich erfahren, mit wem ich die Ehre habe, zu sprechen?«
    Die Aufregung verwandelte sich in Verlegenheit.
    »Oh, natürlich, es tut mir leid! Sie konnten es ja nicht wissen. Ich bin Ni…« Sie unterbrach sich und erinnerte sich, dass sie ihr Auftreten verändern musste. »Mein Name ist Antoinette d’Armand, und ich bin …«
    »Sie wollen sagen, Sie sind Pauls Tochter?«
    »So ist es.«
    Eine Welle der Erleichterung erfüllte Nina. Sie glaubte, aus dem Schneider zu sein, doch der junge Mann runzelte die Stirn.
    »Ich dachte, dass …«, begann er, hielt dann inne, musterte sie kurz und fuhr fort. »Entschuldigen Sie bitte, aber Paul hat uns von einem kleinen Mädchen erzählt.«
    Nina hatte mit dieser Art Bemerkung gerechnet. Sie hatte ihre Antwort bereit.
    »Oh, mein lieber Vater«, säuselte sie, begleitet von einem gerührten Lachen. »Er hat es nie wahrhaben wollen, dass ich älter geworden bin. Seit Langem beharrt er darauf, dass ich vierzehn Jahre alt bin. Seit Jahren besteht er darauf. Allerdings bin ich mittlerweile einundzwanzig Jahre alt. Um es Ihnen genau zu sagen, ich bin geboren am …«
    »Aber das ist doch nicht nötig«, unterbrach der Unbekannte sie seinerseits verlegen. »Paul hat mir Ihr Alter nie genau genannt. Er erzählte nur von Ihnen als einem kleinen Mädchen. Ich bin indessen entzückt zu hören, dass Sie einundzwanzig Jahre alt sind. Ich bin übrigens ebenfalls – aber darf ich mich vorstellen? Teng Wenji ist

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