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Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christel Mouchard
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mein Name.«
    Der junge Mann neigte leicht den Kopf, sodass eine Haarsträhne in seine Stirn fiel.
    »Teng, wie das Haus?«
    Teng Wenji lächelte flüchtig.
    »Ja, wie das Haus.« Er machte eine Handbewegung in Richtung des großen Wohnsitzes in Rot und Gold: »Das Haus unserer Familie.«
    »Ihrer Familie? Ich verstehe nicht … Monsieur Wenji, ich …«
    »Monsieur Teng. Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit, es ist besser, dass ich Ihnen für Ihren weiteren Aufenthalt in Hué diese Erklärung gebe. Die Annamiten und Chinesen stellen den Vornamen hinter den Familiennamen. Wenji ist mein Vorname.«
    »Aha. Und wie kommt es, dass …«
    Wiederum hielt sie im Satz inne und suchte nach den richtigen Worten. Sie musste es wohl zugeben: Dieser Monsieur Teng sprach nicht nur Französisch, er sprach es sogar besser als sie. Sie musste sich in Acht nehmen, andernfalls würde sie schnell entlarvt werden. Sie setzte noch einmal an und bemühte sich, besonders korrekt und deutlich zu sprechen.
    »Aber wie kommt es, dass mein Vater in Ihrem Haus wohnt?«
    Jetzt sah Teng Wenji nicht verwundert, sondern belustigt drein.
    »Es ist so, dass er nicht bei uns wohnte, sondern in einem Haus auf unserem Grundstück. Deshalb hat er Ihnen unsere Adresse gegeben.« Er drehte sich um und zeigte auf eine Baumgruppe ungefähr hundert Meter von dem rot und goldenen Gebäude entfernt: »Ihr Haus, Mademoiselle d’Armand, ist dort. Wir nennen es die
Villa Henriette
. Sie können hingehen, die beiden Diener Ihres Vaters sind noch dort und die Tür steht immer offen. Ich lasse Ihren Reisekoffer bringen.«
    Nina schaute in die Richtung, in die Teng Wenji gezeigt hatte. Zwischen zwei Palmen konnte man ein Dach aus Ziegeln erkennen, das nicht überstand. Sie stammelte ein verlegenes Danke und steuerte auf die schmale Allee aus weißem Kies zu, die zu diesem Teil des Parks führte.
    Ihr Haus
, hatte Teng Wenji gesagt.
    Während sie darauf achtete, auf dem Kiesweg nicht umzuknicken, wiederholte die junge Französin leise für sich: »Mein Haus … mein Haus …«
    »Mademoiselle d’Armand!«
    Nina drehte sich um. Teng Wenji war an der Vorhalle seines Wohnhauses stehen geblieben, schlank und ruhig, mit seiner schwarzen Haarsträhne in der Stirn und einer Hand in der Hosentasche. Sein amüsiertes Lächeln war einem ernsten Ausdruck gewichen. Seine dunklen Augen waren auf Nina gerichtet, sie hatten nun etwas von einem freundlichen, fast liebevollen Beschützer.
    »Ja?«
    »Der Tod Ihres Vaters hat meiner Familie und mir selbst maßlosen Kummer bereitet. Er war unser Freund.«
    Nina senkte den Kopf und atmete tief ein, um nicht vor den Augen dieses fremden jungen Mannes zu weinen. Hinter dem Tüllschleier ihres Hutes verborgen, suchte sie nach Worten, die eine Erwachsene in dieser Lage sagen würde. Die Erinnerung an die Beerdigung ihrer Mutter ging ihr durch den Kopf. Sie sah den grauen und kalten Friedhof vor sich. Und sich selber im schwarzen Kleid, ihre Hand in der ihrer Tante, die so hart war wie der Stein des Grabs. Menschen liefen an ihr vorbei und stammelten Worte voller Mitleid. Ihre Tante hatte mit nüchterner Stimme immer den gleichen Satz wiederholt:
    »Es ist für uns alle ein großer Verlust«, spulte Nina ihn für Teng Wenji ab. »Ich danke Ihnen für Ihre Anteilnahme.«
    Sie drehte sich schnell um und verbarg die Tränen, die ihr in die Augen stiegen. Tränen eines jungen Mädchens, die unweigerlich ihr Alter verraten würden.

Tam
    Hinter der Baumgruppe stand tatsächlich ein Haus.
    Es hatte nichts mit dem eleganten Gebäude der Familie Teng gemein. Kein Gold, kein Rot, keine glasierten Ziegel, keine überdachten Säulengänge, keine Nebengebäude. Es war ein kleines, einstöckiges Haus, weiß verputzt und von einer schmalen Veranda aus unbearbeiteten Holzpfeilern umgeben. Ein sehr kleines Haus. Hatte Nina die Briefe, die ihr Vater ihr schickte, nicht richtig gelesen? Sie hatte sich ein ansehnliches Gut vorgestellt, mit weitreichenden Anpflanzungen, Lagerhallen und Bediensteten. Stattdessen fand sie ein ärmliches Häuschen vor, versteckt am Ende des Parks eines reichen Annamiten gelegen.
    Dennoch war Nina nicht enttäuscht. Der Ort hatte etwas sehr Angenehmes, überall waren Blumen: an den Wegrändern, vor dem Haus in Töpfen, unter den Fenstern, entlang der Veranda, sie wuchsen um die Pfeiler herum, kletterten an den Wänden und sogar auf das Dach hinauf und hingen dort wie Vögel. Alles war sauber, farbenfroh und heiter. Man hätte

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