Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christel Mouchard
Vom Netzwerk:
einem fein ausgearbeiteten Schloss.
    »Gut, also los«, sagte sie und ging darauf zu.
    Es war das erste wertvolle Möbelstück, das Nina in dem Haus sah. Es war ein altes Stück, wie man an den vergoldeten Beschlägen und den Bemalungen aus gelben, orangenen und roten Chrysanthemen auf einem samtigen Hintergrund erkennen konnte.
    Mit dem Respekt, den man alten Dingen gegenüber haben sollte, schob Nina die Riegel zur Seite und öffnete die beiden Türflügel. Sie fand zwei Anzüge, einige schön zusammengelegte Hemden und Anknöpfkragen, einen Mackintosh und einen Strohhut. Kurz und gut, das Notwendigste, was ein Mann eben besaß. Mehr aber auch nicht.
    »Hölle und Verwesung!«, rief sie aus.
    Wütend schlug sie die Türen des wertvollen Schranks zu. Einer der Beschläge fiel herunter. Und gleich darauf landete noch etwas auf dem Boden. Nina bückte sich und hob es auf.
    Es war ein Schild aus Pappe. Es musste an der Wand gehangen haben. Nina hob den Kopf. Und erst jetzt entdeckte sie direkt neben dem Schrank eine kaum sichtbare weiße Tapetentür, so unauffällig, dass sie sie bisher nicht bemerkt hatte. Nina las, was auf der Pappe stand.
    Es war mit der Hand beschrieben, in der Handschrift ihres Vaters:
Bitte nicht eintreten!
    »Was du nicht sagst!«, amüsierte sich Nina.
    Jeden anderen hätte dieses Verbot verwirrt oder zumindest sehr neugierig gemacht. Doch Nina wusste, worum es sich handelte.
    Dasselbe Schild gab es bei ihnen zu Hause, in Argelès in den Pyrenäen. Es hing immer an der Tür des Labors, in dem ihr Vater und ihre Mutter ihre Fotos entwickelten, da in diesem Raum nur das Licht einer roten Glühbirne gestattet war.
    Nina hatte so lange in der Welt der Fotografie gelebt, sie war in ihr geboren. Sie hatte ihren Vater auf seinen Exkursionen als Fotograf begleitet, und ihm geholfen, das Material vorzubereiten, wenn Leute kamen, um im Studio Porträtaufnahmen machen zu lassen. Danach hatte sie dasselbe für ihre Mutter gemacht, als diese nach seiner Abreise das Geschäft ihres Vaters übernommen hatte. Sie konnte die Substanzen in die Schalen füllen, die Platten abwaschen, die Abzüge zum Trocknen aufhängen. Nina liebte den Beruf ihrer Eltern.
    Sie öffnete also die Tür mit einer sicheren Handbewegung, fand sofort die Lampe und schaltete sie an; ein rotes Licht breitete sich in dem Raum aus.
    »Das ist der ideale Ort, um Geld zu verstecken«, sagte Nina laut, als würde das Labor ihr interessiert zuhören.
    Der Raum war überfüllt und dunkel. Überall standen Glasfläschchen, etikettierte Töpfe mit merkwürdigen Namen wie »Schwefelhydroxid«, »Zitronensäure«, Kästen mit der Aufschrift »Trockene Platten mit Silber-Bromid«, Bündel mit »Papier/Silber-Citrat«, Stapel von Glasplatten und so weiter. Man sah, dass Chinh hier nicht saubergemacht hatte, Monsieur d’Armands Unordnung war in diesem Raum nicht angetastet worden. Einige Platten waren schon aufgerichtet worden und bereit, auf Papier gezogen zu werden. Abzüge hingen zum Trocknen an einem Band, das von einer Wand zur anderen lief.
    Nina ging näher heran, um sie genauer zu betrachten. Es waren Porträts von Annamiten in feierlichen Amtstrachten. Männer und Frauen trugen glänzende Kleider mit verschlungenen Motiven. Der typisch chinesische, sehr hohe Kragen war um die Schulter herum geschlossen, die weiten und langen Ärmel verbargen die Hände. Es war unmöglich, die Gesichtsausdrücke zu durchschauen, so unbeweglich und feierlich waren die Züge der Unbekannten. Die Haare waren unter eigenartigen Baretts versteckt, an deren Seiten Flügel angenäht waren.
    Eines der Porträts zeigte ein Kind auf einem Thron. Sein kleines, schmales Gesicht verlor sich in den zu großen und steifen Kleidern. Seine Beine waren so kurz, dass sie nicht einmal bis zum Drittel des Sockels reichten.
    Auf einem anderen Porträt war dasselbe Kind in einer weniger offiziellen Haltung zu sehen. Es saß auf dem Schoß einer lächelnden Frau. Nina fiel auf, dass dies das einzige Lächeln in der gesamten Porträtgalerie war – ein sehr sanftes Lächeln, ohne jede Feierlichkeit. Die Tracht auf diesem Foto war eine andere, überhaupt wirkte das Bild wie ein Fremdkörper. Es war ein einfaches, dunkles
áo dài
, wie das von Tam, zu dem die hellen, schweren Perlenohrringe der Frau den einzigen Kontrast bildeten. Das Kind lehnte seinen Kopf an die Schulter der Frau, offensichtlich seine Mutter.
    »So bist du viel hübscher, mein Kleiner«, murmelte Nina ihm zu, wie

Weitere Kostenlose Bücher