Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)
nichts von dem weitererzählen, was ich gesagt habe, versprochen? Offiziell läuft alles wunderbar.«
»Versprochen. Ich werde nichts sagen. Ich kenne hier ja sowieso niemanden.«
Nina schwieg plötzlich und zog das Blatt Papier aus der Presse, um es in die Schale mit Fixierflüssigkeit zu legen.
»Und das, wer ist das?«
Auf dem neuen Foto war die Gestalt einer Frau zu sehen, die in einen langen Schleier mit großen Falten eingehüllt war. Ein Stück Tuch lag über ihrem Kopf und rahmte das Gesicht ein, das sich dahinter abzeichnete. Ein asiatisches Gesicht mit sehr hohen Wangenknochen, einer breiten Stirn, einem so kleinen Mund, dass er gerade mal einen Punkt bildete, und zwei Augen wie zwei Striche, die sich an den Schläfen nach oben hoben.
»Findest du nicht auch, dass es ein wenig wie die Königin Phuong aussieht.«
»Ein wenig, sie hat etwas von ihrem Lächeln«, stimmte Tam zu.
Während die Mischung wirkte und die braunen Flecken ihre endgültigen Nuancen annahmen, stellte sich das Bild als nicht sehr kontrastreich heraus. Die Linien waren nicht besonders ausgeprägt.
»Nur dass diese Frau keine echte ist«, bemerkte Nina.
Sie wartete noch einige Sekunden und holte schließlich das Papier mithilfe einer Zange aus dem Bad.
»Das ist keine Frau. Es ist eine Figur!«
Tatsächlich war die Gestalt aus Stein und nicht aus Fleisch und Blut. Jedoch aus einem Stein, der nichts mit dem der Statuen gemein hatte, die Nina kannte. Er war glatt und glänzend, lichtdurchlässig und unwirklich. Auf dem schwarz-weißen Bild war es unmöglich, seine Farbe zu erraten.
»Kennst du diese Statue?«, fragte Nina Tam, die sich an sie gelehnt hatte und völlig von dem Bild gefangen genommen war.
»Nein, aber ich wette, dass sie aus Jade ist.«
»Aus Jade?«, rief Nina und richtete sich auf. »Dann ist es das, was Wenji sucht.«
»Ich habe nie wertvolle Jade gesehen«, bemerkte Tam nachdenklich. »Nur Jade von schlechter Qualität. Doch ich weiß, dass es Jade gibt, die fast weiß ist. Sie ist sehr selten.«
»Diese Statue könnte aus weißer Jade sein, ganz sicher.«
Nina tauchte den Abzug in eine zweite, dann in eine dritte Lösung. Während die Flüssigkeiten wirkten, befragte sie Tam weiter.
»Wo hat mein Vater dieses Foto aufgenommen? Sieh dir den Hintergrund genau an, erinnert er dich an etwas?«
Die beiden beugten sich gemeinsam über das Papier. Die Jadefigur stand auf einem lackierten Tisch, doch das Übrige der Kulisse verschmolz in einem blassen Nebel mit braunen Flecken.
»Schwer zu sagen«, murmelte Tam. »Der Hintergrund ist so verschwommen.«
Nina nahm eine Lupe von der Arbeitsplatte und fuhr damit über die Fotografie.
»Eigenartig. Ich sehe runde Dinge, mit krummen Füßen«, murmelte sie. »Das könnten Kochtöpfe sein. Oder nein, eher Hexenkessel.« »Hexenkessel?«
Tam wollte gerade loslachen, als ein Bild in ihrer Erinnerung auftauchte. Sie murmelte vor sich hin: ›Hexenkessel … mit krummen Füßen … Moment mal, ich bin sicher, dass ich so etwas schon einmal irgendwo gesehen habe.« Und plötzlich stieß sie hervor: »In der verbotenen Stadt!«
»Die verbotene Stadt?«
»Das ist der Name für den Komplex von Palästen, die sich im Innern der Zitadelle befinden. Die Paläste des Kaisers und der kaiserlichen Familie. Es ist sehr schwer, da hineinzukommen.«
»Aber wenn du die Kochtöpfe gesehen hast,
bist
du ja hineingekommen!«
»Ja, an dem Tag, an dem ich die Fräulein Wellensittiche, die Töchter des Gouverneurs, begleitet habe. Ja, ich erinnere mich. Außerhalb des Palastes, im Hof. Aber es sind keine Kochtöpfe, und auch keine Hexenkessel. Es sind Bronze-Urnen, Symbole der Macht des Kaisers.«
»Hm, man könnte drei von seiner Größe darin kochen!«
»Nina!«
»Entschuldigung.«
Nina verzog das Gesicht, dann stand sie ohne abzuwarten auf und verließ das Labor.
»Gut, wir müssen hingehen und nachsehen.«
»Was nachsehen?«
»Ob sich die Frau aus Jade in dem Palast der Königin befindet.«
Als Tam sie einholte, war Nina schon im Badezimmer und damit beschäftigt, die Waschschüssel aus Steingut mit Wasser zu füllen.
»Du wirst jetzt nicht rausgehen! Du bist noch zu schwach. Wir haben in der Nacht kein Auge zugetan. Und wie willst du die Verbotene Stadt betreten?«
»Ich habe keine Ahnung, aber ich werde schon eine Lösung finden. Sieh, die Morgendämmerung bricht an. Wir müssen handeln.«
»Es ist gefährlich, Nina. Das ist kein Krocketspiel!«
»Das weiß ich!
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