Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)
Decke. »Ich finde, Morton und Wenji interessieren sich ein bisschen zu sehr dafür, was sich hier im Haus befindet. Sie stellen unablässig Fragen und wollen herkommen. Und das, obwohl mein Vater nun wirklich nicht reich war.«
Nina schwieg einen Augenblick lang und erinnerte sich an das Geld, das sie im Safe ihres Vaters gefunden hatte. Sie warf Tam einen flüchtigen Blick zu. Es schien ihr, als wäre auch sie leicht verlegen. Tam räusperte sich.
»Du hast recht, neulich auf dem Markt fand ich Wenji auch ziemlich neugierig. Und dann dieses ständige Gerede von Antiquitäten.«
»An dem Abend, als ich bei ihm war, war es noch schlimmer.«
Ohne es zu bemerken, hatte Nina das Ende des Pferdeschwanzes ihrer neuen Freundin in die Hand genommen und streichelte sich damit die Nasenspitze, während sie weiter nachdachte. Tam runzelte ihrerseits die Stirn und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf denselben Punkt an der Decke.
»Na ja, wenn du all das der Polizei von Hué erzählen willst, werden sie sich über dich lustig machen.«
»Oder sie werden Nachforschungen über mich anstellen und mein Alter herausfinden. Und das hieße: nächste Station Waisenhaus. Oder zurück zu meiner Tante. Nein, ich muss allein zurechtkommen. Dafür müssen wir vor allem herausfinden, warum Morton und Wenji um die Villa herumstreifen.«
Tam richtete sich vor Überraschung auf und stützte sich auf einen Ellenbogen. Sie hatte das »Wir« wohl bemerkt. Sollte sie dazu etwas sagen? Inwiefern war sie, die Tochter des Kochs, in die Angelegenheiten von Paul und Antoinette d’Armand verwickelt? Sie senkte ihre Augenlider und nahm sich die Zeit, nachzudenken. War dieses »Wir« der Beginn eines Abenteuers? Auf jeden Fall war sie jetzt ebenfalls neugierig geworden.
»Was genau hat Teng Wenji denn gesagt?«, fragte sie.
Nervös setzte sich Nina in den Schneidersitz und stützte ihr Kinn in die Hand. Wie verschwommen war die Erinnerung an den Abend bei den Tengs! Sie erinnerte sich an das Kinderlachen, die bunten Orchideen, das Mädchen, das sich für eine Malerin hielt, und vor allem an diesen zärtlichen Gesichtsausdruck, den der junge Chinese manchmal hatte, wenn er mit ihr sprach. Es war ihr, als wäre seit dem Beginn ihrer Krankheit mindestens ein Monat vergangen. Schließlich gelang es ihr, die Unterhaltung mit Wenji wieder zu rekonstruieren.
»Es wirkte alles merkwürdig geheim, als würde er sich von mir eine wichtige Antwort auf eine Frage erwarten. Allerdings auf eine Frage, die er gar nicht wirklich stellte. Er sprach von einem wertvollen Gegenstand. Einem Affen oder etwas Ähnlichem, aus einem besonderen Material.«
»Aus Gold?«, fragte Tam, und ihre Augen sprühten.
»Nein, aus Jade. Ein sehr blassgrüner Stein.«
Tam verließ abrupt das Bett und begann im Zimmer auf und ab zu laufen.
»Ich kenne Jade, danke. Alle in Annam kennen Jade. Es ist ein nützlicher Stein, der …«
»Ist ja gut, ist ja gut«, fiel ihr Nina ins Wort. »Ich habe keine Ahnung. Jedenfalls habe ich hier nichts gefunden. Und du? Im Laufe deiner ›Erkundungen‹?«
Tam baute sich vor Nina auf, sie war jetzt wieder mürrisch und verschränkte die Arme mit einer misstrauischen Geste.
»Meine Mutter hat alles aufgeräumt«, sagte sie sehr schnell. »Sie hätte es gesehen.«
»Sie hat nicht überall aufgeräumt. Ich weiß es!«
Da Tam empört den Mund öffnete, sprach Nina weiter: »Komm mit.«
Sie sprang vom Bett und stürzte in den Flur.
Die Madonna aus Jade
Die beiden Freundinnen standen auf der Schwelle zum Fotolabor. »Hier drin räumt deine Mutter nie auf.«
»Nein«, gab Tam zu. »Dein Vater hat es ihr verboten. Dieser Ort war seiner Arbeit vorbehalten. Glaubst du, dass er hier etwas versteckt haben könnte?«
»Ich habe schon alles durchforstet, aber da habe ich nicht nach etwas Bestimmtem gesucht.« Sie zog es vor, nicht genauer darauf einzugehen, was sie gesucht hatte. »Wir müssen noch einmal anfangen«, sagte sie. »Schau du hier vorsichtig bei den Gläsern, ich sehe in den Regalen nach. Es kann auch ein kleiner Gegenstand sein, wenn er sehr wertvoll ist.«
Sie machten sich an die Arbeit. Mit unendlicher Vorsicht hoben sie Dinge hoch, putzten sie ab und nahmen die Wände unter die Lupe, auf der Suche nach einer verborgenen Nische. Fehlanzeige.
Nina betrachtete aufmerksam die Fotos, die immer noch an dem Faden hingen und längst getrocknet waren. Die Ecken rollten sich auf, das Papier begann sich zu wellen. Mechanisch nahm sie sie ab und
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