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Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christel Mouchard
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langen Schleier, das Gesicht leicht geneigt, durchdrungen von Liebe und Mitgefühl, ganz aufrecht und umgeben vom Schein Hunderter Kerzen.
    »Die Madonna aus Jade!«, murmelte Nina.
    »Was haben Sie gesagt?«, fragte die Königin.
    Nina bedauerte ihre spontane Reaktion. Schon wieder hatte sie gesprochen, ohne nachzudenken. Sie hatte sich geschworen, niemandem gegenüber die im Labor ihres Vaters gefundene Fotografie zu erwähnen, ehe sie nicht mehr darüber wüsste. Und nun entfuhren ihr diese dummen Worte vor der Mutter des Kaisers.
    »Nichts, nichts«, stammelte Nina. »Der Anblick der Madonna hat mich überwältigt.«
    »Sie haben ›die Madonna aus Jade‹ gesagt. Doch diese Statue ist nicht aus Jade, sie ist aus Holz.«
    Das war schwer zu leugnen: Diese Statue zwischen den brennenden Kerzen war aus lackiertem, bemaltem Holz. Sie trug einen roten Gürtel, goldenen Schmuck, hatte rosa Wangen und schwarze Haaren. Und dennoch war es dieselbe Frau wie auf dem Foto, Nina war sich dessen sicher. Sie sah sie an, dann schaute sie zur Königin und suchte nach einem Weg, die entstandene Spannung aufzulösen. Da erinnerte sie sich daran, was ihr aufgefallen war, als sie die Königin gesehen hatte.
    »Sie gleichen ihr«, sagte sie und hoffte, auf diese Weise ihre unglückseligen Worte vergessen zu machen.
    »Es ist wahr, Maman«, mischte sich der junge Kaiser mit entzücktem Gesichtsausdruck ein. »Sie gleichen der Göttin Kwan Yin.«
    Aber die Königin wollte sich nicht ablenken lassen.
    »Sie haben von Jade gesprochen. Nina, das ist sehr wichtig, ich …« Doch sie hatte keine Zeit, ihren Satz zu beenden. Am Eingang der Pagode erhob sich ein Stimmengewirr. Nina, die Königin und der Kaiser wandten sich um und sahen, dass eine Gruppe von Männern den Raum betreten hatte, die sich ihnen mit raschelnden Gewändern näherten.
    Sie waren ganz in Schwarz gekleidet und trugen glänzende Barette mit kleinen Flügeln auf den Köpfen. Die Ärmel ihrer Gewänder waren so lang, dass der Saum auf den Boden fiel, und ihre Bärte reichten ihnen bis zur Taille. Noch außergewöhnlicher aber waren die langen, wie Schweineschwänze gedrehten Fingernägel.
    Das Schauspiel war fantastisch und schauerlich zugleich.
    »Hölle und Verwesung!«, rief Nina aus.
    Ein ersticktes Lachen antwortete ihr als Echo. Der Kaiser hielt sich mit beiden Händen den Mund zu, sodass von seinem Gesicht nur noch die strahlenden Augen wie zwei kleine Mondsicheln zu sehen waren.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Nina ihn leise.
    »Das ist der Rat der Mandarine.«
    »Mandarine?«
    »Die Weisen, die mich politisch beraten.«
    »Ich dachte, dass die Franzosen regie …«
    »Still!«
    Es war die Königin, die jetzt gesprochen hatte. Die Mandarine gingen in feierlichem Schritt weiter auf die Statue der Göttin Kwan Yin zu. In wenigen Sekunden würden sie in Hörweite sein.
    »Nina, ich bitte Sie, kommen Sie morgen in den Pavillon beim Lotusteich«, flüsterte die Königin ihr zu.
    »Ja, Majestät, ich werde dort sein. Eher am Nachmittag, nach Schulschluss.«
    »Nach Schulschluss?«
    Die Königin war verdutzt, hatte jedoch keine Zeit, sich zu fragen, warum eine junge Frau wie Antoinette d’Armand sich um Schulzeiten kümmerte. Schon verneigten sich die Mandarine vor dem jungen Kaiser.
    »Majestät«, sagte der Älteste auf Französisch, »Ihre Gäste warten auf Euch. Der Herr Generalgouverneur wundert sich bereits, wo Sie geblieben sind.«
    »Ich wollte die Pagode von Mademoiselle d’Armand fotografieren lassen«, schaltete sich die Königin Phuong ein. »Und besonders die Statue. Der Kaiser sagt, dass sie mir gleiche.«
    »Finden Sie nicht auch, Herr Innenminister?«, fragte der Kaiser den Mann, der sich vor ihm verneigte.
    Der alte Mandarin richtete sich auf und hielt sich dabei das Kreuz. Dann richtete er einen ergebenen Blick auf die bemalte Statue.
    »Gewiss, Majestät. Die Göttin Kwan Yin war die Göttin des Mitgefühls, und Ihre Mutter ist für ihre unendliche Güte bekannt.«
    »Aber«, schaltete sich der Mandarin neben ihm ein, »war nicht Monsieur d’Armand deswegen bereits hier? Wir haben gesehen, wie er eine wertvolle Jade im Ehrenhof fotografierte.«
    »Diese Jade kommt nicht aus dem Tempel«, unterbrach ihn die Königin eisig. »Die kleine Statue, von der Sie sprechen, bleibt in meinen Gemächern, Sie wissen es.«
    »So? Uns wurde zugetragen, sie sei nicht mehr dort.«
    »Da Sie, geschätzter Kultusminister, mich schon ausspionieren, werden Sie auch

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