Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)
kaiserlichen Garde.
»Sie Mademoiselle d’Armand?«
»Ja, ja! Ich bin Antoinette d’Armand«, beeilte sie sich zu antworten. »Sie aufsteigen.«
Der Soldat hatte den Befehl ruhig und bestimmt gegeben, wie ein Mann, der Gehorsam gewohnt war.
»Das ist ein ziemlich autoritärer Elefant«, bemerkte Tam und ging auf die kleine Strickleiter zu, die der Soldat jetzt am Rücken seines Reittieres herunterließ.
Im selben Moment ging der Elefant in die Knie und legte seinen Rüssel ab. Nina zögerte immer noch.
»Klettern wir da wirklich rauf? Einfach so? Ohne zu wissen, wer dieser Kerl ist?«
»Dieser
Kerl
ist einer der Wachsoldaten der Königin«, erklärte Tam wohlüberlegt. »Man erkennt sie an der Farbe des Turbans.«
Nina antwortete nicht. Nach einem letzten Blick Richtung Hügel ergriff sie die Strickleiter und kletterte hinter Tam hinauf.
»Aber das wackelt!«, schrie Nina, während sich das Gefährt in Bewegung setzte und behäbig von einem Fuß auf den nächsten schaukelte. »Das ist ja noch schlimmer als ein Schiff. Uah, mir wird schlecht.«
»Immer musst du dich beschweren! Willst du wieder hinuntersteigen?«
Nina schüttelte den Kopf. Der Elefant hatte schon den Weg verlassen und drang immer tiefer in den Wald ein.
Nina wusste nicht, wohin sie ritt, doch sie wusste, dass es in dieser Situation wohl angebracht war, sich ihrem Retter zu vertrauen. Um das Schlingern zu vergessen, beschäftigte sie sich damit, die Zipfel ihres tropfnassen Rocks auszuwringen.
Als sie bereits eine halbe Stunde lang unterwegs waren, regnete es immer noch. Der Elefant schritt langsam immer weiter, kleine Bäume bog er zur Seite, Büsche und Sträucher wurden einfach plattgetreten. Als sie den Waldrand erreichten und er auf offenem Feld ein anderes Tempo einschlug, hatte Nina sich bereits so weit an die Bewegungen gewöhnt, dass sie beginnen konnte, den Ausflug zu genießen.
»Hüa, mein Fetter! Vorwärts!«
»Schau!«, bemerkte Tam. »Wir sind da.«
Nina versuchte, durch den Regenschleier hindurch etwas zu erkennen. Vor ihnen erhob sich eine Festungsmauer.
»Das ist die Grabstätte von Tu Dûc«, erklärte Tam. »Der Pavillon beim Lotusteich befindet sich im Inneren der Grabstätte.«
»Die Königin Phuong will mich in einer Grabstätte treffen? Ist das nicht etwas gruselig?«
»Es ist nicht so eine Grabstätte, wie du es dir vorstellst. Der Kaiser Tu Dûc hat dieses Mausoleum noch zu seinen Lebzeiten gebaut, wie alle unsere Kaiser. Der Ort ist genauso groß wie ein Palast, mit mehreren Tempeln, Säulengängen, Vorplätzen, Pavillons und Teichen.«
In diesem Moment drehte sich der Soldat um und zeigte auf die Vorhalle.
»Ihr hinuntersteigen«, sagte er in seinem brüchigen Französisch.
Als hätte der Elefant den Befehl vernommen, kniete er nieder, und die beiden Mädchen stiegen nacheinander über den Rand des großen Kastens, in dem sie gesessen hatten. Als sie unten angelangt waren, liefen sie durch ein Tor in der Mauer in einen Innenhof. Von dort aus gelangten sie in einen Raum mit einem großen Wasserbecken, in dem zahllose pinkfarben blühende Pflanzen schwammen. Auf der linken Seite führte eine breite Treppe zu einem von steinernen Drachen umgebenen Tempel. Daneben erhob sich ein kleineres, von einer Terrasse umgebenes Gebäude.
»Da sind wir«, sagte Tam. »Dort ist der Pavillon.«
Trotz des Regens und der beunruhigenden Stille, die innerhalb der Mauer herrschte, konnte Nina nicht umhin, die Schönheit des Ortes zu bewundern. Das Pink der Lotusblüten verlieh der gesamten Kulisse eine heitere Note.
»Der Pavillon beim Lotusteich …«, murmelte sie nachdenklich.
»Wie romantisch das ist! Ein echter Treffpunkt für Verliebte.«
»Der Kaiser Tu Dûc hat ihn bauen lassen, um hier über seinen bevorstehenden Tod meditieren zu können.«
»Über seinen Tod? Gut, ich nehme zurück, was ich gesagt habe. Schnell, beeilen wir uns, mir wird langsam kalt.«
Sie gingen im Laufschritt am Teich entlang und gelangten endlich ans Ziel.
»Jetzt sieh dir das an«, jammerte Nina. »Miss Mellys Hüte mögen ja elegant sein, gegen Regen taugen sie allerdings nichts.«
»Man könnte meinen, du hättest einen alten Korb auf dem Kopf!«
»Und du siehst aus, als hättest du in die Hosen gemacht.«
Tams Hosen sahen in der Tat nicht besser aus als Ninas Hut.
Ein Geräusch ließ sie sich umdrehen. Die Königin Phuong stand vor ihnen, ebenso schön und rein wie am Abend im Palast. Hinter ihr kamen zwei Frauen, die
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