Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)
hübsche Redewendung:
Hölle und Verwesung!
Sie gefällt ihm sehr.«
»Es tut mir leid, es tut mir wirklich leid«, wiederholte Nina und biss sich auf die Lippen.
»Sicher eine weitere Raffinesse der französischen Kultur …«
Nina warf Tam einen flehenden Blick zu, doch die junge Annamitin hatte keinerlei Absicht, ihrer Freundin zu Hilfe zu kommen. Zum Glück war der Königin Phuong nicht danach, das Thema zu vertiefen. Sie verließ die Terrasse und ging zurück zur Feuerstelle. »Ihre Kleider müssten inzwischen getrocknet sein. Vielleicht wird es langsam Zeit für Sie, mich zu verlassen.«
Nina verneigte sich schuldbewusst. Doch schon im nächsten Moment waren ihre Gedanken wieder bei Wenji.
»Komm, Tam«, sagte sie überstürzt. »Wir müssen uns überlegen, wie wir Wenji aushorchen – Entschuldigung. Ich meinte, wie wir
in Erfahrung bringen können
, was es mit dem Verkauf von Kunstgegenständen auf sich hat.«
»Aber vorsichtig!«, schaltete sich die Königin noch einmal ein. »Er darf nicht erfahren, dass ich in all das verstrickt bin.«
Mutter und Sohn
»Ich habe Ihnen mein Geheimnis offenbart. Mein Leben und das des Kaisers liegen in Ihren Händen.«
Die Königin Phuong stand am Ufer des Teichs neben der Vorhalle aus Stein. Wie zerbrechlich sie war! Und dennoch wollte diese Frau mit dem so sanften Lächeln im Namen eines zwölfjährigen Kindes die Führung einer Revolution übernehmen. ›Ich sollte vielleicht doch ein oder zwei Bücher lesen, um von all dem ein bisschen mehr zu verstehen‹, dachte Nina und schmunzelte über sich selbst. Noch eine Neuerung im Leben Antoinette d’Armands: Sie dachte daran, ein ernstes Buch in die Hand zu nehmen!
Jetzt war der Moment des Abschieds gekommen. Ein letztes Mal verneigte Nina sich vor der Königin und wandte sich gerade dem Elefanten zu, als ihr noch ein letzter Gedanke kam.
»Majestät, dürfte ich es wagen, noch eine Frage zu stellen? Würden Sie mir verraten, wie viel man Ihnen für die Jadefigur zahlen wollte?«
Die Königin zögerte, doch langsam schien sie sich daran zu gewöhnen, dass diese junge Dame sich offensichtlich entschieden hatte, alle Regeln des Anstands zu ignorieren.
»Zehntausend Piaster.«
Eine unglaubliche Summe, Nina war sich dessen bewusst. Sie murmelte einen Dank und machte sich auf den Weg, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Dennoch war es ihr, als würde ihr eine eisige Klinge den Rücken hinuntergleiten.
Gedankenverloren kletterte sie die Strickleiter hinauf und schmiegte sich auf der Suche nach Wärme und Trost an Tam. Der Elefant richtete sich auf, schüttelte seine Ohren und setzte sich in Bewegung.
Während sich das Tier mit seinen beiden Passagieren entfernte, ging die Königin Phuong zum Pavillon zurück. Der Nebel begann sich aufzulösen, die Sonne ging langsam unter. Das Herz der Königin zog sich zusammen. Es war eine Stunde der Angst. Sie dachte an die beiden Mädchen, die nun, belastet durch ihr Geheimnis, wieder nach Hause zurückkehrten. Ihr Verhalten war ebenso mutig wie kindlich. Waren sie wirklich reif genug, das Geheimnis bewahren zu können? Welche Torheit hatte sie bewogen, sich Unbekannten anzuvertrauen?
Und dann der Aufstand. Glaubte sie wirklich daran, die Franzosen besiegen zu können? Sie allein, eine Mutter mit einem so jungen Sohn?
In diesem Augenblick erklang ein seltsames Geräusch, wie erstickt, leise und aus weiter Ferne zu ihr vordringend. Ein menschliches Geräusch, wie ein Ruf, dessen Echo über der Landschaft schwebte. ›Der Geist von Tu Dûc …‹, dachte die Königin.
Mit einem Lächeln versuchte sie, sich über ihren eigenen Aberglauben zu amüsieren. Doch ihre Lippen zitterten; es war weder der Wind noch eine Einbildung – es war tatsächlich ein Ruf.
Wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, stieg die Königin langsam die Stufen der großen, bemoosten Treppe empor. Als sie oben angekommen war, blieb sie stehen. Sie befand sich am Rand eines großflächigen Vorplatzes mit Steinplatten, die von der Feuchtigkeit grün geworden waren. Auf jeder der drei Seiten, die ihr gegenüber lagen, standen Tempel mit von Flechten bedeckten Mauern.
So gut die Königin den Ort auch kannte – an diesem Abend hatte sie das Gefühl, ihn zum ersten Mal zu sehen. Es war ihr, als warteten die Drachen auf sie … Generationen von toten und bestatteten Kaisern schauten sie durch die großen Augen dieser fantastischen Tiere an.
Während ein malvenfarbener Schatten über die Kulisse fiel,
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