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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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erhobenes Gesicht war wie erstarrt, nur die Lippen flüsterten unentwegt etwas, ein Gebet wohl.
    »Die Binde, mach die Binde ab!«, brüllte Kryshow. »Und lauf in die Diele! Vielleicht schaffst du’s!«
    Aber sie schien nicht zu hören.
    »Mütterchen, verzeiiih!«, kreischte Polkaschka schluchzend.
    Auf der anderen Seite platzte von der Hitze eine Scheibe, Funken sprühten zu Boden, und sogleich begann eine Matte zu qualmen.
    »Vergiss dein Gelübde! Du verbrennst!«, schrie Jewpatjew. »Nein, sie macht sie nicht ab. Wasser her! Eine Axt! Schlagt den Rahmen raus!«
    Was sollten Wasser und Axt noch bewirken? Das Feuer kroch schon über die innere Wand, näherte sich den Ikonen. Das ewige Lämpchen zerbarst, das auslaufende Öl flammte auf.
    Zum Haus kamen von allen Seiten Bauern gelaufen, manche mit Eimer, andere mit Hakenstange. Der Starschina humpelte herbei, den Schafpelz über der Leibwäsche.
    »E-Erlauben Sie.«
    Fandorin entriss dem Alten den Pelz, zog ihn über den Kopf.
    Hauptsache, die Luft anhalten, keinen Rauch einatmen, befahl er sich selbst und stürmte zur Vortreppe.
    »Masa, Wasser!«
    Der Japaner verstand, er riss einem der Bauern den Eimer aus der Hand und begoss den Pelz mit dem eiskalten Wasser.
    Über die brennende Treppe, durch den lodernden Türrahmen – das war schon der halbe Sieg.
    Viel schlimmer war es drinnen, denn in dem Qualm war nichts zu erkennen.
    Zehn Schritte nach links, dann die kleine Schwelle, sagte sich Fandorin und hatte sich doch verzählt, denn die Stufe, die die mittlere Stube von der unteren trennte, kam schon beim neunten Schritt. Er stolperte, stürzte zu Boden.
    Das rettete ihn. Vor ihm brach mit entsetzlichem Poltern ein Deckenbalken herunter. Wäre Fandorin nicht gestolpert, so hätte es ihm den Schädel zertrümmert.
    Er sprang über den qualmenden Balken hinweg und gelangte mit mehreren Sprüngen in die obere Stube. Hier war es heißer, aber nicht so rauchig.
    Ohne mit überflüssigem Gerede Zeit zu verschwenden, packte er Kirilla quer um die Taille und warf sie sich über die Schulter. Sie war seltsam leicht, wie aus Stroh.
    Er zog den Schafpelz über sie und sich und stürmte zurück.
    Die Lungen lechzten nach Luft, aber Atmen wäre tödlich gewesen.
    Ohne etwas zu sehen, nur nach dem Gedächtnis lief Fandorin in die Diele. Er stieß sich Schulter und Kopf am Türsturz, überwand im Sprung den Flammenbogen des Ausgangs und fiel von den Stufen in den Schnee. Kirilla samt Schafpelz flog in eine Schneewehe.
    Jetzt durfte er atmen.
    Um den rußgeschwärzten Fandorin, der mit Genuss die kalte Luft einsog, kümmerte sich Masa.
    »Herr, Sie haben eine Brandwunde im Gesicht. Und der Bart ist angekokelt. Sie sehen ganz hässlich aus.«
    Besorgt tastete Fandorin sein Gesicht ab. Lappalie. Es würde eine Brandblase geben, doch keine bleibende Narbe.
    »Sie sind ein richtiger Held!«, krähte Kochanowski. »Ich war sicher, dass Sie nicht mehr lebend rauskommen aus dieser Hölle.«
    Jewpatjew drückte ihm bewegt die Hand.
    »Wie geht’s ihr? I-Ist sie heil?«, fragte Fandorin und stand auf.
    Mit Kirilla schien alles in Ordnung zu sein. Sie war umdrängt von ächzenden und schnatternden Weibern. Zu Füßen der Märchenerzählerin kroch schluchzend Polkaschka und schlug reuig mit der Stirn auf die Erde.
    »Schon gut, lass nur.« Kirilla tastete nach dem Mädchen, griff nach ihrem dünnen Hals. »Nu, bist erschrocken, das macht nichts. Aber du bist ja nackt. Weiberchen, gebt ihr was, sie erkältet sich noch.«
    Das Geschehene schien diese erstaunliche Frau nicht im geringsten erschüttert zu haben.
    »Was für ein Mensch!«, sagte der Industrielle stolz zu Fandorin. »Russisches Urgestein! Sie wäre verbrannt, hätte aber nicht die Binde abgenommen, nicht ihr Gelübde gebrochen.«
    »Haben Sie sich nicht verbrannt?«, fragte Fandorin, zu Kirilla tretend. »Schmerzt es irgendwo?«
    »Schmerzen kann nur die Seele«, antwortete sie und wandte den Kopf in seine Richtung. »Meine Seele ist wohl und friedlich. Haben Sie mich herausgeholt? Sind Sie einer von uns, ein Christenmensch?«
    »Ja, ein Christ«, antwortete er etwas verlegen, denn er konnte sich denken, dass sie mit diesem Wort ausschließlich Altgläubige meinte.
    »Ja, er hat dich gerettet!«, lärmten die Frauen. »Ihm musst du danken!«
    Aber Kirilla versetzte gleichmütig: »Gott hat es gewollt. Wenn er mich für würdig befunden hat, dem Feuer zu entrinnen, heißt das, ich werde noch gebraucht.«
    Die alten und die

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