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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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sich auf die drei Stuben: in der untersten, gleich neben der Diele, Jewpatjews Kutscher, Masa und Wachtmeister Odinzow; in der mittleren mit dem Ofen das »bessere Publikum«; die obere war zuvorkommend dem schwachen Geschlecht zugesprochen worden – der Märchenerzählerin und Polkaschka. Diese hatten den langen Tisch samt Decke zum Diwan geschoben und befanden sich nun wie hinter einem Wandschirm, waren nicht zu sehen und zu hören.
    Nach der nächtlichen Fahrt und dem eiskalten Tag waren alle rechtschaffen müde. Fandorin, dessen Schlaf mit den Jahren immer leichter und empfindlicher geworden war, schlief als Letzter ein; ihn störte das von allen Seiten rasselnde Schnarchen.
    Dafür erwachte er als Erster.
    Im Haus war es stockfinster.
    Fandorin schlug die Augen auf; noch ungewiss, was ihn geweckt hatte, setzte er die Füße von der Bank auf den Boden.
    Rauch! Es roch nach Rauch!
    Er tastete sich zum Ofen, öffnete die Klappe. Nein, keine Flamme, die letzten Kohlen verglimmten.
    »Irgendwas qualmt«, sagte in seiner Ecke Kryshow. »Was ist los?«
    Plötzlich leckte vor dem winzigen Fensterchen eine dunkelrote Zunge hoch. Dann auch vor dem zweiten, dem dritten. Und auf der Gegenseite!
    »Es brennt! Herrschaften, es brennt!«, schrie Kryshow.
    Brandstiftung, wusste Fandorin, als er einen schwachen Petroleumgeruch wahrnahm. Anders hätte das Haus nicht so schnell Feuer gefangen, noch dazu von zwei Seiten. Er stürzte in die dunkle Diele, versuchte die Tür zu finden. Natürlich, von außen verschlossen!
    »Masa, hierher!«, schrie er.
    Hinter ihm setzte Panik ein. Alle hasteten brüllend umher. Kochanowski mahnte hysterisch zur Ruhe. Dann klirrte eine eingeschlagene Fensterscheibe, jemand versuchte hinauszuklettern, doch vergeblich, die Fenster waren, wie im Norden üblich, sehr klein, damit weniger Wärme entwich.
    »Herrschaften, ihr stört!
Masa, kotira ni hairanai yoni!
11 «, befahl Fandorin. »Odinzow, keiner darf rein!«
    Er brauchte Platz zum Anlaufnehmen, sonst konnte er die Tür nicht auframmen.
    Der Japaner, ohne viel Federlesens, schleuderte die Rettungsuchenden zurück in die Stuben. Der Wachtmeister nutzte aus, dass im Dunklen alle Katzen grau sind, und verteilte Püffe nach rechts und links. Die Diele war frei.
    Fandorin bündelte die innere Energie
Ki
, von der es jetzt abhing, ob es gelang, die feste Eichentür einzuschlagen, rannte los, sprang hoch und trat wuchtig gegen die Tür.
    Ob nun sein Vorrat an
Ki
sehr groß oder der Stützpfeiler etwas schwach war, jedenfalls stürzte das Hindernis schon beim ersten Versuch um.
    »Herrschaften, jetzt raus!«, schrie er.
    Niemand ließ es sich zweimal sagen. Alle waren blitzschnell draußen im Schnee, manche in Unterwäsche, andere barfuß, doch gottlob alle heil und gesund.
    Und rechtzeitig!
    An den Bohlenwänden des Hauses stiegen hurtig Flammen empor, angefacht von dem Schneesturm. Schon fing das Dach Feuer, glühende Späne fielen herunter.
    »Brandstiftung«, flüsterte der Wachtmeister Fandorin heiß ins Ohr. »Hei, wie das lodert! Diese verdammten Altgläubigen! Wollten uns alle auslöschen, mit einem Schlag!«
    Fandorin schob den Wachtmeister, der ihn störte, beiseite, hockte sich hin und hob den Knüppel auf, mit dem der oder die Übeltäter die Tür verkeilt hatten. Der war so morsch, dass er sich auch ohne die gebündelte Energie
Ki
hätte wegstoßen lassen. Sonderbar.
    »Haltet sie fest, haltet sie fest!«, riefen plötzlich alle.
    Die Blindenführerin, barfuß und ohne Kopfbedeckung, nur im Leinenhemdchen, wollte weinend zurück ins Haus.
    »Mütterchen! Mütterchen ist noch drin!«, heulte sie verzweifelt und wand sich in den Händen der Männer. »Ich bin so gemein! Ich hab sie im Stich gelassen, hatte solche Angst!«
    Und wirklich, Kirilla war nicht unter den Geretteten. In der Panik und dem Durcheinander war die Märchenerzählerin vergessen worden.
    »Wo willst du hin? Kuck doch, wie es brennt!«, suchte der Wachtmeister sie zur Vernunft zu bringen.
    Tatsächlich, die Vortreppe brannte bereits, niemand konnte mehr ins Haus.
    Fandorin rannte an der Wand entlang, blickte in die Fenster.
    In der unteren Stube war Kirilla nicht. In der mittleren auch nicht.
    Da!
    In der Heiligenecke, zwischen dem Tisch und der Ikonenwand, hastete die Pilgerin hin und her. Jetzt, da alle Wände brannten, war das Innere des Hauses hell erleuchtet.
    Kirilla, die hilflos mit den weiten Ärmeln fuchtelte, erinnerte an einen verwundeten schwarzen Schwan. Ihr

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