Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
er aufgerufen habe, dem bösen Beispiel zu folgen.
    Die Buchmänner wechselten Blicke.
    »Du selbst bist ein Verbrecher. Du scherst dir den Bart, trägst am Rock Knöpfe mit dem Siegel des Antichristen«, knurrte der Älteste. »Lawrenti aber lebt in Gott. Am Morgen war er hier. Und hat von den Selbstmorden erzählt.« Die vier Greise bekreuzigten sich wie auf Kommando. »Er hat die für Christum Entschlafenen beweint. Aber auch gescholten. Und er hat unsere Leute gemahnt, sich vor solcher Pein zu hüten und nicht auf schönrednerische Sendboten zu hören, so denn welche kommen.«
    »Verstehe«, sagte Odinzow langgedehnt, setzte sich wieder und sah Fandorin bedeutsam an. Sein Blick bedeutete: Sie lügen, die morschen Baumstümpfe. Stecken mit Lawrenti unter einer Decke.
    »Wer sind die ›ssönlednelischen Sendboten‹, Herr?«, flüsterte Masa interessiert.
    »Die andere v-verlocken. Wahrscheinlich sind wir gemeint.«
    Nach dem Polizisten unternahm es Kochanowski, die Buchmänner zu verlocken. Mit wohlgesetzten Worten beschrieb er die Vorzüge, welche die allgemeine Volkszählung Russland verhieß, zeigte eine Aktentasche und hielt sich wahrscheinlich für einen gewieften Diplomaten, als er sich entschieden abgrenzte von dem Antichristen, den der Semstwo als einen Feind des Menschengeschlechts ansehe und auf Leben und Tod bekämpfen werde.
    Nachdem er seine Ansprache beendet hatte, blickte er die Gefährten stolz an, und die Gläser seines Kneifers blitzten.
    Allein, das Urteil der Greise war hart. Der Zahnlose, der kurzmit den anderen drei getuschelt hatte, versetzte: »Wir geben nicht unsere Zustimmung zu eurem dämonischen Vorhaben. Wir wollen nicht aufgeschrieben werden. Wir sind selber Schreiber.«
    Kochanowski sprang wieder auf, um hitzig zu streiten, doch es war vergebens.
    Jewpatjew hörte schweigend zu und verfinsterte sich immer mehr.
    »E-Erlauben Sie, Aloisi Stepanowitsch.« Fandorin stand auf und berührte den gestikulierenden Statistiker an der Schulter.
    »Ja, ja, Erast Petrowitsch, sagen Sie’s ihnen! Wenn die meinen Befragungsformularen nicht trauen, können sie selber welche verfassen. Ich passe sie dann schon an!«
    »Ich meine nicht die Zählung.« Fandorin trat zum Tisch und holte die beiden fast identischen Blätter hervor: das eine aus der Mine in Denisjewo, das andere aus der im Paradies. »Wollen Sie, Geehrte, sich mal diese Urkunden ansch-schauen. Was sagen Sie zu dem Papier, auf dem sie geschrieben sind? Und zu der Tinte? Am meisten aber interessiert mich die H-Handschrift. Sehen Sie her, es ist dieselbe.«
    Die Buchmänner lasen die beiden Abschiedsbriefe aufmerksam durch, ohne deren Identität zu beachten. Brillen galten hier wohl als Teufelswerk, da aber die Augen der Greise vom Kopieren schwach waren, hielten sie das Papier dicht vor die Nase. Das Studium der Beweisstücke dauerte eine gute halbe Stunde.
    Fandorin wartete geduldig. Nur zu gern hätte er sich die Handschrift der Kopisten angesehen. Vor jedem lag ein Stoß der an diesem Tag geschriebenen Seiten, doch als Fandorin näher rückte, wendeten die Greise die Blätter mit der unbeschriebenen Seite nach oben, damit der Fremde das heilige Schreibwerk nicht mit seinem Blick entweihte.
    Endlich waren die Alten mit dem Studium fertig. Sie wechselten Blicke. Der Älteste antwortete für alle: »Das Papier ist ganzgewöhnlich. Die Tinte auch. Von wem das geschrieben wurde, wissen wir nicht. Die Schrift ist langweilig, schmucklos.«
    Die anderen nickten.
    Diese stille Einmütigkeit missfiel Fandorin sehr.
    »Besten D-Dank.«
    Er sammelte die Beweisstücke ein und kehrte zur Bank zurück.
    Der Besuch in Bogomilowo schien mit einem Fiasko an allen Fronten zu enden. Die Reisenden, ohne sich abgesprochen zu haben, standen auf und sahen einander unschlüssig an.
    Was war jetzt zu tun? Abfahren? Aber wohin, in welche Richtung? Auch brauchten die Pferde Ruhe. Doch auf die Gastlichkeit dieser Methusalems war nicht zu hoffen …
    »Nun, ich will mal versuchen, sie zur Vernunft zu bringen. Mit Gottes Hilfe wird es vielleicht«, sagte Vater Vikenti zu dem verdrossenen Kochanowski.
    Mit raschelnder Kutte ging er um den Tisch, beugte sich zu dem Oberbuchmenschen und flüsterte ihm etwas zu. Die drei anderen Greise rückten näher.
    Der Kopf des Ältesten wackelte noch heftiger, auf dem Gesicht erschien eine angewiderte Grimasse, aber er hörte dem Dechanten aufmerksam zu. Ein paar Mal, wenn er nicht recht verstanden hatte, fragte er zurück:

Weitere Kostenlose Bücher