Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
Ihrer Erlaubnis etwas später«, antwortete Fandorin. »Der Hergang des V-Verbrechens ist klar. Erledigen Sie schon mal die Formalitäten. Ich komme bald nach.«
    Zwei Polizisten, die mit dem Untersuchungsführer gekommen waren, führten den Häftling zum Ausgang.
    An der Schwelle blieb der Graf stehen, drehte sich zu Fandorin um und fragte flehend: »Darf ich sie wenigstens noch einmal ansehen?«
    Ein Polizist stieß ihn sacht in den Rücken.
    »Ein Jammer. Da muss ein so gelehrter Mann zur Zwangsarbeit«, bedauerte Nebaba den Mörder, als der Gefängniswagen abgefahren war.
    »An Zwangsarbeit ist nicht zu denken«, tröstete ihn Fandorin. »Sehen Sie nicht, dass er wahnsinnig ist? Ihn erwartet das Gefängniskrankenhaus, Abteilung T-Tobsüchtige.«
    Nebaba setzte sich hin, um den Rapport über die Aufklärung des Verbrechens und die Festnahme des Mörders zu schreiben. Er schnaufte, kratzte wütend mit der Feder und wischte sich mit dem Taschentuch pausenlos die himbeerrote Stirn – kurzum, er war beschäftigt. Der Beamte für Sonderaufträge ging in dem tristen Raum auf und ab. Er seufzte, knackte nervös mit den Fingern, schaute hinaus in die Dunkelheit, öffnete sogar einmal die Tür, als wolle er gehen, aber der Reviervorsteher hob den Kopf von der Schreiberei und riet ab: »Stockdunkel heute, man sieht die Hand vor Augen nicht. Ihr Asiat wird kommen, der geht nicht verloren.«
    Masa kam erst nach einer Stunde.
    »Und?«, fragte Fandorin ungeduldig. »Warum hat das so lange gedauert? Hast du alle gefunden?«
    »Funfunswansich«, antwortete der Diener stolz. »Eine Pele lag in eine Pfüsse.«
    Seine Ellbogen und Knie waren tatsächlich nass und schmutzig.
    »Morgen fädelst du sie auf einen d-doppelten Faden«, befahl Fandorin. »Und den Schund der Firma ›Pusyrew‹ wirfst du weg. Doch nein, gib mir die Perlen. Ich fädle sie selber auf.«
    Als er den verwunderten Blick des Reviervorstehers auffing, erklärteer nicht ohne Verlegenheit: »Dass ich mit Hilfe der Kette zweimal gerettet wurde, ist Zufall. Was die Unsterblichkeit angeht – nichts als Aberglauben und Blödsinn. Und das mit der höchsten Weisheit ist auch anzuzweifeln. Aber ich konnte mich überzeugen, dass man beim Geklapper der Steine besser denken kann … Sie brauchen mich gar nicht so a-anzugucken.«

Table Talk 1882
     
    Nach Kaffee und Likör kam das Gespräch im Salon, wie sich das am Weihnachtsabend gehört, auf Geheimnisvolles.
    Die Hausherrin, Lidia Nikolajewna Odinzowa, blickte geflissentlich nicht zu ihrem neuen Gast, dem gefragtesten Mann der Saison, als sie sagte: »Ganz Moskau spricht davon, dass Bismarck den armen Sobolew vergiftet hat. Werden wir denn nie die Hintergründe dieser furchtbaren Tragödie erfahren?«
    Der Mann, den Frau Odinzowa heute ihren Stammgästen vorsetzte, hieß Erast Petrowitsch Fandorin. Er sah umwerfend gut aus, war von einer Aura der Rätselhaftigkeit umweht und überdies Junggeselle. Um ihn in ihren Salon zu locken, hatte Frau Odinzowa eine höchst komplizierte, mehrstufige Intrige eingefädelt, worin sie unübertroffene Meisterin war.
    Ihre Bemerkung war an Archip Hyanzintowitsch Mustafin gerichtet, einen langjährigen Freund des Hauses. Als Mann von scharfem Verstand erfasste er auf Anhieb ihren Hintergedanken und sagte, dem jungen Kollegienassessor Fandorin unter geröteten wimperlosen Lidern einen Seitenblick zuwerfend: »Ich habe gehört, unserem Weißen General sei eine fatale Leidenschaft zum Verhängnis geworden.«
    Die Anwesenden hielten den Atem an, denn Gerüchten zufolge war Fandorin, seit kurzem Beamter für Sonderaufträge beim Moskauer Generalgouverneur, ganz unmittelbar damit befasst, die Todesumstände des großen Heerführers aufzuklären. Doch die Gäste wurden enttäuscht: Der brünette Beau hörte Mustafin höflichzu und tat, als hätte er zu dem Gesagten nicht die geringste Beziehung.
    Eine peinliche Pause trat ein – eine Situation, die eine erfahrene Gastgeberin nicht zulassen darf. Frau Odinzowa bewies auch sogleich Geistesgegenwart. Mit einem reizenden Augenaufschlag kam sie Mustafin zu Hilfe. »Da muss ich an das mysteriöse Verschwinden der armen Polinka Karakina denken! Sie erinnern sich gewiss an diese schreckliche Geschichte, mein Freund?«
    »Und ob ich mich erinnere«, nahm Mustafin den Faden auf und dankte mit einem leichten Zucken der Augenbraue für die Hilfestellung.
    Einige nickten, doch die meisten hatten noch nie von Polinka Karakina gehört. Da Mustafin im Ruf

Weitere Kostenlose Bücher