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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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ist. Gott der Herr hat mich bewahrt. Aber wenn ich vorgestern hier gewesen wär, dann hätten die mich, genau wie meinen Chef …« Er bekreuzigte sich, fing einen strengen Blick des Reviervorstehers auf und wickelte sogleich den Lappen ab. »Da, Makar Nilowitsch, bitte sehr, wenn Sie sehen wollen. Eine Beule, groß wie eine Butterbirne.«
    Kljujew neigte den höckerigen Kahlkopf und wies den Beweis seines Martyriums vor. Die Beule war überzeugend: blaurot, Birne hin, Birne her, aber allemal so groß wie eine reife Pflaume.
    »Zwischen neun und zehn?«, wiederholte Fandorin und trommelte mit den Fingern gegen die Tür.
    Der Reviervorsteher beugte sich zu dem Beamten herab, hielt höflich die riesige Hand vor den Mund, durch die dennoch ein Knoblauch- und Wodkaschwaden drang, so dass Fandorin leicht die Nase rümpfte, und flüsterte laut: »Ich habe selber gestaunt. Es war schon spät. Prjachin hätte längst die Tür verriegeln müssen. Sie verstehen, Euer Hochwohlgeboren, wir sind in Sucharewka. Aber das Schloss wurde nicht aufgebrochen – also hat Prjachin selber aufgemacht. War wohl ein Bekannter.«
    »Gestaunt?« Fandorin warf dem Polizisten einen Seitenblick zu. »Und warum steht das nicht im Bericht?«
    »Entschuldigung …«
    Nebabas Gesicht wurde sofort undurchdringlich, die Augen bekamen einen besonderen Glanz. Fandorin begriff: Der Reviervorsteher von Sucharewka wollte nicht, dass die Herren von der Kriminalpolizei in seinem Revier herumschnüffelten, darum hatte er den verdächtigen Umstand verschwiegen. Das war normal.
    Der Beamte wandte sich an den Gehilfen.
    »Kljujew, erzählen Sie mal etwas genauer, wie Sie zu demP-Prachtstück auf dem Kopf gekommen sind. Wann ist das passiert? Vor drei Tagen?«
    »Ich werde alles ausführlich darlegen, so wie es war«, erwiderte der Geschädigte bereitwillig, reckte die schmalen Schultern, räusperte sich und begann: »Es dunkelte. Am Himmel tobte ein Sturm, Blitze zuckten, und es goß wie aus Eimern. Mein Chef, Silanti Michailowtsch Prjachin, nahm Rapstropfen gegen sein Nierenleiden, wünschte mir erholsame Träume und entfernte sich, um sich nach dem arbeitsreichen Tag der wohlverdienten Ruhe hinzugeben. Ich trank ein Tässchen Tee und wollte den Laden zusperren. Als ich auf die Straße trat, die von einem Regenschleier verhangen war …«
    »Sie lesen wohl gern das ›Sonntagsblatt‹?« unterbrach Fandorin den Erzähler. »Bitte ohne Naturbeschreibungen, zur Sache.«
    »Zur Sache?« Kljujew verlor den Faden. »Das war so, gnädiger Herr. Ich hab mich umgedreht, um abzuschließen, von da ab weiß ich nichts mehr. Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf der Schwelle, es war stockdunkel, und ein streunender Hund leckte mir die Rübe.«
    »Ein Schlag von hinten, mit einem schweren stumpfen Gegenstand«, konstatierte der Reviervorsteher gewichtig.
    »Haben Sie nicht näher kommende Sch-Schritte gehört? Versuchen Sie sich zu erinnern. Die Straße hat doch Kopfsteinpflaster.«
    Kljujew runzelte die Stirn, um zu zeigen, dass er sich nach Kräften bemühte, schüttelte dann aber den Kopf.
    »Nein. Ich kann mich nicht erinnern. Hier treibt sich so viel Gesindel herum, viele tragen gar keine Schuhe. Der Unmensch muss barfuß gewesen sein«, vermutete der Gehilfe, widersprach sich aber gleich selbst: »Nein, dann wäre ein Patschen zu hören gewesen, war aber nicht.«
    »Vielleicht Chinesen?«, warf Nebaba ein. »Die tragen Latschen, die kein Geräusch machen.«
    Der Geschädigte griff diese Version bereitwillig auf.
    »Das kann gut sein. Die Schlitzaugen kommen oft zu uns in den Laden. Es gibt ja genug Bekloppte, die das chinesische Kraut rauchen.«
    Der Reviervorsteher schob den schwächlichen Zeugen mit seiner mächtigen Pranke beiseite, damit der nicht zwischen ihm und der Obrigkeit stand.
    »Euer Hochwohlgeboren, ich denke Folgendes. Prjachin wurde vorgestern von einem chinesischen Opiumraucher umgebracht. Unsre Rechtgläubigen verstümmeln nicht mal im Suff jemanden derart bestialisch. Da muss einer völlig weggetreten sein. Nicht nur, dass man ihn erschlagen hat, man hat ihn danach auch noch mit dem Beil zerstückelt, die abgehackten Finger lagen auf dem Boden verstreut, eine Hüfte war voller Einstiche, der Bauch aufgeschlitzt, und um ihn war ein Meer von Blut. Das muss ein total zugedröhnter Opiumraucher gewesen sein. Aber den finden wir nie im Leben. Die Chinesen reden nicht mit uns Polizisten, die machen alles unter sich ab. Außerdem sehen die alle gleich aus,

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