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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen
Autoren: Boris Akunin
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da krieg mal raus, ob solch einer Men Hy heißt oder Hy–men Peng.«
    Fandorin ging in den engen Verkaufsraum und blieb vor dem riesigen braunen Fleck getrockneten Blutes stehen, der sich vom Ladentisch bis fast zur Tür ausbreitete.
    »Was ist mit F-Fußspuren?«
    »Es wurde keine einzige entdeckt.«
    Der Beamte ging um den Fleck herum und schüttelte den Kopf.
    »Kein einziger blutiger A-Abdruck? Der ganze Boden ist doch voller Blut. Hat der Verbrecher sein Opfer dort am Ladentisch erschlagen?
    »Jawohl. Und hier, sehen Sie bitte, alle Waren herumgeworfen und zerbrochen.«
    »Wie ist er d-danach zur Tür gekommen, ohne ein einziges Mal in die Lache zu treten?«
    Der Polizist dachte nach und zuckte die Achseln.
    »Er muss drübergesprungen sein.«
    »Eine erstaunliche Umsicht für einen völlig Benebelten. Und der Sprung ist auch nicht von P-Pappe – knapp drei Meter, ohne Anlauf.«
    Fandorin sah sich hinter dem Ladentisch um, wo aller möglicher Plunder lag. Er hob eine Papierrolle mit chinesischen Schriftzeichen vom Boden auf, entrollte sie, las sie, legte sie dann sorgsam aufs Schreibpult und warf einen flüchtigen Blick auf den abgeschabten Balg eines kleinen Krokodils, der über der Petroleumlampe an der Wand hing. Er hockte sich hin und untersuchte die herumgeworfenen, zum Teil zerschlagenen oder zertrampelten Waren. Besonderes Interesse zeigte er für eine gelbe Elfenbeinkugel, etwas kleiner als eine Billardkugel, schartig und schäbig, mit verschnörkelten Schriftzeichen. Doch diese beachtete er nicht, stattdessen kratzte er mit dem Fingernagel an den Scharten und betrachtete sie sogar durch die Lupe.
    Der Reviervorsteher ging unterdessen vor den zertrümmerten Regalen auf und ab. Er nahm einen kleinen messinggerahmten Handspiegel mit gebogenem Griff, behauchte die fleckige Oberfläche, wischte mit dem Ärmelaufschlag darüber und steckte das Spielzeug in die Tasche. Der Gehilfe stieß einen Seufzer aus, wagte aber nicht zu protestieren, und außerdem, was ging ihn die Habe seines Herrn noch an?
    »Sagen Sie, Nebaba, wie kommen Sie darauf, daß Prjachin zuerst getötet und dann mit dem B-Beil zerstückelt wurde?«, fragte Fandorin plötzlich und richtete sich auf.
    Der Gebieter über Sucharewka blickte den unkundigen Beamten herablassend an und strich den scheckigen Schnurrbart glatt.
    »Wie soll’s denn anders gewesen sein, Euer Hochwohlgeboren? Hätten die Verbrecher den Prjachin bei lebendigem Leibe zerhackt, dann hätte der so gebrüllt, dass man’s in den Nachbarhäusern gehört hätte. Aber keiner hat Gebrüll gehört, das hab ich überprüft.«
    »Verstehe.« Fandorin hielt dem Polizisten die Kugel vor die Nase. »Was sind das für Abdrücke?«
    »Woher soll ich … Je, Zähne!« Nebaba ächzte auf. »Wer hat denn an dem Ding geknabbert? Da kann man nicht reinbeißen.«
    Er nahm die Kugel und versuchte mit seinen kräftigen gelben Zähnen hineinzubeißen – unmöglich, zu hart.
    »Haben Sie die Zähne des Getöteten untersucht? Nein?« Fandorins Stirn verdüsterte sich. »Ich bin sicher, dass einige abgebrochen oder zerbröckelt sind. Diese Kugel hat der Mörder dem Händler in den Mund gesteckt.«
    »Wozu?«, wunderte sich der Reviervorsteher, während der Gehilfe aufstöhnte, sich bekreuzigte und die Hand vor die schmalen blassen Lippen hielt.
    »Damit in den Nachbarhäusern nicht sein Gebrüll, wie Sie sich ausdrückten, zu hören war. Das Opfer wurde bei lebendigem Leib mit dem Beil zerstückelt, und zwar nach und nach. Vor Schmerzen hat der Händler diese unappetitliche Kugel angeknabbert.«
    Jetzt bekreuzigte sich auch Nebaba.
    »Grauenhaft! Aber weshalb haben die Prjachin so gequält?«
    »Damit er ein Versteck preisgibt«, antwortete Fandorin knapp und sah sich wieder im Zimmer um, reckte den Kopf sogar zur Decke. »Es liegt auf der Hand, dass Prjachin ein besonders wertvolles Stück besaß. Beim ersten Mal, vor drei Tagen, hat der V-Verbrecher (ich nehme an, es war nur einer) versucht, ohne Mord auszukommen: Er schlug den Gehilfen nieder und durchsuchte den Laden, fand jedoch nicht den begehrten Gegenstand. Da kam er ein zweites Mal und folterte Prjachin. Doch der gab das Versteck nicht preis.«
    »Woher wollen Sie das wissen?« Nebaba zweifelte. »Wer hält denn solche Qualen aus?«
    »Es gibt Menschen, deren Standhaftigkeit oder Habgier den Schmerz überwindet und sogar die Todesangst. Hätte Prjachin demVerbrecher das Verlangte ausgeliefert, dann hätte der nicht die Regale
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