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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen
Autoren: Boris Akunin
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durchwühlen und den Fußboden aufbrechen müssen. Sehen Sie in der Ecke die herausgerissenen Bretter? Nein, Prjachin hat sein Geheimnis mit ins Grab genommen.«
    »Mein Gott, mein Gott«, wehklagte Kljujew und bekreuzigte sich pausenlos.
    Der Polizist dachte kurz nach und sagte: »Aber vielleicht hat dieses Ungeheuer, das den Prjachin kaltgemacht hat, das Versteck doch noch gefunden?«
    »Wohl kaum«, murmelte Fandorin zerstreut und drehte rasch den Kopf nach allen Seiten. »Ein einfaches Versteck hätte der Verbrecher gleich beim ersten Mal entdeckt. Na, dann w-wollen wir’s mal versuchen.«
    Er ging durch den langgestreckten engen Raum und klopfte mit den Fingerknöcheln gegen den Putz. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und klatschte seltsamerweise dreimal in die Hände.
    »Sagen Sie, Kljujew, einen Geldschrank gibt’s hier wohl nicht?«
    »Nein, hat’s nie gegeben.«
    »Und wo hat Ihr Herr Geld und Wertsachen aufbewahrt?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen, Euer Hochwohlgeboren. Prjachin war sehr misstrauisch.«
    »Was denn, in all der Zeit, die Sie für ihn gearbeitet haben, haben Sie nie gesehen, wo er das Wechselgeld hernahm und wo er die Einnahmen hintat?«
    »Freilich hab ich das gesehen. In die Hosentasche, wohin sonst. Aber dort ist es nicht lange geblieben. Er ist auch nie mit mehr als drei Rubeln auf die Straße gegangen. Er sagte immer: ›Alle sind Gauner und Spitzbuben‹, das war seine Meinung, oder, wissenschaftlich ausgedrückt, sein Credo.«
    »Credo, Credo …«, wiederholte Fandorin gedehnt, beugte sich herab und zerrte an der Scheuerleiste.
    »Vielleicht im Keller«, mutmaßte der Reviervorsteher.
    »Wohl kaum.« Fandorin drehte sich zum Ladentisch um. »Er wird ja nicht jedesmal in den Keller gestiegen sein, um einen Dreirubelschein zu verstecken. Wozu ist das hier?«
    Fandorin zeigte auf das ausgeblichene Krokodil, das ihm seinen halb geöffneten zähnebewehrten Rachen zuwandte. Der Bewohner schlammiger Flüsse und warmer Sümpfe war am Schwanz aufgehängt, reckte seinen Eidechsenkopf aber im rechten Winkel nach oben, und es sah aus, als starre er den Hofrat mit seinen fröhlichen Äuglein an.
    »Das ist ein Tier namens Karkadil«, erklärte der Gehilfe.
    »Ich sehe, dass es ein Krokodil ist. Aber was hat es hier zu suchen?«
    »Es hängt schon immer hier, noch bevor Prjachin mich eingestellt hat. Sozusagen zur Zierde. Prjachin hat dieses Scheusal vergöttert und jeden Abend mit einem Lappen abgewischt. Es hat sogar einen Namen – Herodes.«
    Fandorin stieß einen Seufzer aus, wie um die Absonderlichkeiten der menschlichen Natur zu beklagen, und steckte ohne Zögern die Hand in den Schlund des Krokodils.
    Der Reviervorsteher ächzte unwillkürlich – gar zu spitzzahnig und unfreundlich wirkte der Rachen des fremdländischen Ungetüms.
    »Ach, was haben wir denn da«, sagte Fandorin zu sich selbst und schien etwas zu ertasten. »Sehr praktisch. Immer zur Hand und unverdächtig. Der Mörder hat offensichtlich nicht Edgar Allan Poe g-gelesen.«
    Er zog aus dem bizarren Gefäß vorsichtig zuerst ein Päckchen kleiner Banknoten und dann ein Samtbündel, in dem es leise klapperte. Das Geld warf der Beamte achtlos aufs Schreibpult, das Samtbündel wickelte er auf. Nebaba und Kljujew, die dicht herangetreten waren, zeigten sich enttäuscht: Es kamen keine Edelsteine und kein Gold zum Vorschein, sondern runde grüne Steinchen, dieauf einem Faden aufgereiht waren, eine gewöhnliche Kette. Nach den kleinen Quasten zu urteilen, wohl eher eine Gebetskette, aber keine christliche, sondern eine muselmanische.
    Der Reviervorsteher wartete, bis der Beamte den Fund gründlich betrachtet hatte, und fragte dann halblaut: »Ein kostbares Stück?«
    »Nicht besonders. Eine gewöhnliche J-Jadekette. Wie es sie in China und Japan massenhaft gibt. Diese hier scheint freilich sehr alt zu sein. Kljujew, haben Sie die früher schon mal gesehen?«
    Der Gehilfe breitete die Arme aus.
    »Nein, nie.«
    »Ich nehme sie mit«, entschied Fandorin. »Sie zählen das Geld und geben es zu Protokoll.«
    Nebaba warf einen abschätzenden Blick auf die Scheine, betastete sie kurz und sagte überzeugt: »Siebenunddreißig Rubelchen. Euer Hochwohlgeboren …«
    »Ja?«
    »Sollte man die Kette nicht dem Grafen Chruzki zeigen? Seine Erlaucht kennt sich mit orientalischen Sachen sehr gut aus.«
    »Nicht nötig.« Fandorin winkte leichtfertig ab und steckte das Samtbündel in die Jackentasche. »Ich verstehe auch was von
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