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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Pause
gönnen. Aber ich bin es nicht gewöhnt, untätig
herumzusitzen.«
         Viktoria
dachte, dass ein derartiges Herumsitzen Arbeiten wie dieser
vorzuziehen war, sprach es aber nicht aus.
         »Was
machen Sie denn bei den Auftritten?«, fragte sie stattdessen.
Angeblich waren die chinesischen Gaukler doch meist Männer.
         Yazi
lachte auf.
         »Geben
Sie mir das Schwert!«
         Viktoria
besorgte den gewünschten Gegenstand, den Jinzi diesmal nicht
mitgenommen hatte. Yazi warf es in die Luft, um es dann ebenso
geschickt wie ihr Sohn wieder am Knauf aufzufangen.
         »Jetzt
nehmen Sie den Hocker dort in der Ecke und halten ihn hoch. Das Holz
ist bereits morsch, er bricht ohnehin bald zusammen.«
         Verwirrt
tat Viktoria wie ihr geheißen. Yazi ließ das Schwert von
einer Hand in die andere fliegen. Dann säbelte sie mühelos
die Beine des Hockers ab, wobei sie sich wie bei einem Tanz drehte
und herumsprang. Viktoria wurde plötzlich bewusst, was sie an
dieser chinesischen Frau ebenso ungewohnt gefunden hatte wie die
ausgewachsenen Füße. Ihr Körper war zwar klein, aber
breitschultrig und sie bewegte ihn selbst beim Verrichten der
Hausarbeit mit schwungvoller Energie. Jene Zerbrechlichkeit, die den
Reiz schöner Chinesinnen wie Meigui ausmachte, fehlte ihr
vollkommen, doch glich sie auch nicht den demütigen
Bauernmädchen auf den Reisfeldern.
         »Wo
haben Sie gelernt, mit dem Schwert umzugehen?«, fragte Viktoria
fassungslos.
         »Im
Krieg. Bevor ich auf der Bühne auftrat, kämpfte ich in
Schlachten.«
         Viktoria
blieb die Luft weg.
         »Sie
haben getötet?«, hauchte sie erschrocken.
         Yazi
ließ das Schwert plötzlich sinken, als habe sie die Freude
am Spiel mit ihm verloren.
         »Ja«,
erwiderte sie leise. »Ich habe viele Menschen getötet.
Damals schien es mir richtig. Ich folgte den Befehlen eines Mannes,
der behauptete, den Willen des einzigen, allmächtigen Gottes zu
kennen. Und dieser Gott befahl das Morden.«
         Sie
wandte sich ab.
         »Ich
werde uns etwas zu Essen besorgen. Bald bricht die Stunde der Ziege
an und Jinzi kommt zurück.«
         Bevor
Viktoria ein weiteres Wort sagen konnte, war die Tür zugefallen.
Sie wandte sich an Dewei, der während Yazis Darbietung stumm in
der Ecke gesessen hatte, und forderte ihn auf, ihr beim Auswringen
der gewaschenen Kleider zu helfen. Dabei rätselte sie, wo sie
ihren verbliebenen Besitz zum Trocknen aufhängen konnte. Das
Zimmer war so furchtbar klein! Nach draußen wagte sie sich
nicht, denn sie hatte bereits genug Stimmen gehört, um zu
wissen, dass in diesem Haus noch andere Leute wohnten, allesamt
Chinesen. Es musste sich um ein Nebengebäude des Bordells
handeln, in dem die Bediensteten untergebracht waren, zu denen
offenbar auch Jinzi gehörte, denn er war in seiner prächtigen
Aufmachung dort aufgetreten. Viktoria stand nicht der Sinn danach,
sich diesen Leuten zu zeigen. So legte sie die Wäsche
schließlich auf die Matte, wo tagsüber zum Glück
keiner schlief.
         Eigentlich
war es keine Matte, wie ihr erst jetzt auffiel, eher ein breites Sofa
mit einem Fundament aus Ton. Es nahm fast die Hälfte des kleinen
Zimmers ein, diente sicher auch als Sitzgelegenheit, doch nun wäre
es eben für eine Weile nicht verfügbar.
         Zufrieden
musterte sie ihre verbliebenen Kleider, zwei für den Winter und
ihr altes Sommerkleid aus Musselin, das sie noch aus Hamburg
mitgebracht hatte. Zum Glück schienen sie tatsächlich
unversehrt. Dann wurde sie von Dewei zaghaft am Ärmel gezupft.
         »Vi
Ki, wir sollten hier nicht bleiben.«
         »Das
werden wir auch nicht. Ich muss mich an die Gesandtschaft wenden.
Aber … das dauert eben noch, denn eine Nachricht schicken und
mich abholen lassen, das will ich nicht. Wenn jemand merkt, in
welchem Haus wir hier untergekommen sind, das wäre peinlich.«
         Sie
hätte sich gern an Max von Brandt gewandt, der es vielleicht
ganz amüsant gefunden hätte, dass sie in ihrer Notlage in
einem Bordell beherbergt worden war. Der Gesandte hatte den weiten
Horizont eines Weltmannes, frei von spießbürgerlicher
Moral. Doch konnte sich sein Koreaaufenthalt über Monate
hinziehen. Sie musste überlegen, wie es mit ihr nun weitergehen
sollte. Max von Brandt hätte vielleicht Vorschläge gehabt.
Und mit Sicherheit gute Beziehungen.
         »Eigentlich
ist es gar nicht so übel hier«, meinte sie und

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