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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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des
Knochenbaus, die ihr Gesicht wie das Werk eines Künstlers wirken
ließ. Weiche Seide floss an ihrer Gestalt hinab, ließ
zarte, mädchenhaft schlanke Köperformen erahnen.
         Yazi
berührte den Boden mit der Stirn. Viktoria fühlte ein
zorniges Stechen in ihrer Brust. Warum musste eine derart starke,
kluge Frau sich vor einer Hure erniedrigen? Dennoch knickste sie
selbst ohne Zögern, denn ganz gleich wie Shen Akeu zu ihrem
Vermögen gekommen war, sie verfügte über die stolze
Ausstrahlung eines erfolgreichen, wohlhabenden Menschen. Zum zweiten
Mal spürte sie den Blick dieser Unbekannten auf sich ruhen, was
ihr den Schweiß aus den Poren trieb. Die alterslos schöne
Hure schien ihr die Verkörperung all dessen, was China
geheimnisvoll, faszinierend und gleichzeitig abstoßend machte.
Raffinierte Pracht ohne jede Moral.
         Reger,
chinesischer Wortwechsel begann. Die immer noch kniende Yazi klang
dabei erstaunlich selbstsicher. Viktoria hörte immer wieder das
Wort Lao Wai und nahm den missmutigen Tonfall der Hausherrin zur
Kenntnis, von der sie keines weiteren Blickes mehr gewürdigt
wurde. Schließlich entschuldigte sich Yazi bei ihr, weil sie
mit Shen Akeu fortgehen musste. Ihre Hilfe im großen Haus wurde
verlangt, wo auch Jinzi sich bereits aufhielt.
         »Es
kann dauern. Esst ruhig von dem Reis«, meinte sie zum Abschied.
Viktoria wartete eine Weile, doch als ihr Magen verzweifelt zu
knurren begann, verspeiste sie allein mit Dewei das Mittagsmahl.
Während sie weiter ihre Sachen ordnete und sich von Dewei
vorlesen ließ, verging der Tag. Mehrmals schickte sie den
Jungen los, damit er frisches Wasser besorgte und den Nachttopf
leerte. Bei Anbruch der Dämmerung legte Viktoria sich mit Dewei
nieder, denn sie fühlte sich immer noch etwas schwach auf den
Beinen, doch wurde sie mitten in der Nacht von Schritten und
Stimmengewirr aus dem Schlaf gerissen. Yazi und ihr Sohn zogen rasch
ein paar Kleidungsstücke aus, bevor sie ebenfalls auf das
Schlafsofa kletterten. Diesmal war die Ordnung anders. Jinzi hatte
sich direkt an Viktorias Seite ausgestreckt, was sie wieder hellwach
werden ließ. Das seidenglatte, dichte Haar fiel wie ein dunkler
Fluss auf ihre hellen Locken. Sie musterte die Form seiner Schultern
und rätselte, wie ein Körper gleichzeitig derart muskulös
und doch grazil wirken konnte. Die Flächen ihrer Hände
verzehrten sich plötzlich danach, zu erfahren, wie seine
hellbraune, glatte Haut sich anfühlte. Ein fast vergessenes
Ziehen in ihrem Unterleib ließ sie unruhig werden. Nicht einmal
der schneidige Max von Brandt hatte es wecken können, als er ihr
beim Gesandtschaftsball endlich wieder Gelegenheit gegeben hatte, in
seinen Armen einen Walzer zu tanzen. Sie hatte beruhigt in der
Überzeugung gelebt, jedes Verlangen nach dem Körper eines
Mannes sei mit ihrer Beziehung zu Anton gestorben. Viktoria entwich
ein leiser Seufzer. Jinzi drehte sich plötzlich auf den Rücken,
sodass seine Schulter fast die ihre berührte. Nur noch ein
Fingerbreit von Luft trennte sie voneinander. Viktoria fiel es
schwer, ruhig zu atmen, und sie war überzeugt, er müsse das
hämmernde Pochen ihres Herzens hören können, denn
obwohl er sich nicht regte, hätte sie schwören können,
dass der Mann an ihrer Seite ebenso wenig schlafen konnte wie sie
selbst. Ein süßlicher Duft stieg in ihre Nase. Er schien
nicht völlig unbekannt, doch fiel ihr erst nach einer Weile ein,
welch edle Dame heute so gerochen hatte. Ruckartig rutschte sie von
Jinzi weg und schmiegte sich so eng wie nur möglich an Dewei.
         »Elender
Hurenbock«, flüsterte sie mit fest geschlossenen Augen.
Auf Deutsch, damit Shen Akeus Liebhaber sie nicht verstand.

    ******

         Am
nächsten Tag beschloss sie zur Gesandtschaft zu gehen, denn es
gab nichts mehr, das sie in diesem kleinen Zimmer hielt. Während
Yazi loszog, um ein Frühstück zu besorgen, legte Viktoria
ihr grünes Wollkleid zurecht. Die Temperatur war schlagartig
abgekühlt, ebenso wie ihre Stimmung. Sie konnte sich allerdings
weder waschen noch umkleiden, da Jinzi hinter ihr stumm am Tisch saß
und ein paar Papiere durchsah.
         »Es
wäre sehr nett, wenn Sie mich heute zur Gesandtschaft begleiten
würden«, meinte Viktoria beiläufig. Er blickte auf
und zwang ein Lächeln auf sein Gesicht.
         »Natürlich.
Mit Lao Wai darf ich vielleicht hinein.«
         Viktoria
seufzte.
         »Wenn
Sie unbedingt die Gesandtschaft von innen sehen

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