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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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einziges kleines Leben vor der Grausamkeit der Welt
zu retten.
         Laoshu
lächelte, wohl mehr erleichtert über die erwachten
Lebensgeister ihrer Herrin denn über eine gerettete Katze.
         »Ich
nehme es mit. Ich werde mich um es kümmern«, fuhr Yazi
ohne Zögern fort. Ein gewöhnliches Kätzchen passte zu
einer Bauerntochter. Sie gehörten zusammen, weil sie beide an
diesem vornehmen Ort Fremde waren.
         »Māo«,
sagte Laoshu nickend. So hieß eine Katze in der Sprache, die
hier gesprochen wurde. Doch Yazi schüttelte den Kopf. Sie hatte
auf ihren eignen Namen verzichtet, denn man hatte sie aus ihrer
Heimat verstoßen, doch diese Katze sollte so heißen, wie
sie selbst als Kind Katzen genannt hatte: Ngiau.

    ******

         Rong
Dongji, Yazis Schwiegervater, war in ihrem Leben bisher nicht in
Erscheinung getreten, doch schien sein Name überall im Haus
gefürchtet. Am Tag, da die Feierlichkeiten für das
Neujahrsfest begannen, begab Yazi sich daher mit einem höchst
unguten Gefühl in die große Ahnenhalle, wo sämtliche
Mitglieder des Haushalts sich zunächst vor den Tafeln der Ahnen
zu verneigen hatten, bevor in einem anliegenden Raum eine endlose
Folge von Gerichten aufgetragen wurde.
         Yazi
sah zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ihren Gemahl, der
schweigsam an der Seite seines Vaters saß. Er wirkte noch ein
wenig schmächtiger als sie ihn in Erinnerung hatte und bläuliche
Schatten untermalten seine Augen.
         Zum
ersten Mal fiel ihr ein Umstand auf, den sie bisher keiner weiteren
Überlegung gewürdigt hatte: außer Yingxiong gab es
noch vier jüngere Töchter, doch keinen Sohn, was ihr bei
der beachtlichen Menge von Konkubinen erstaunlich schien.
         Um
sie herum wurde geplaudert, doch Yazi hatte alle mühevollen
Versuche, in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden, inzwischen
aufgegeben. So verzehrte sie schweigend ihre Suppe, hoffte der Abend
würde schnell vergehen, damit sie wieder in ihre eigene kleine
Welt zurückkehren konnte, wo Laoshu und Ngiau auf sie warteten.
         Zunächst
überhörte sie das Donnern der männlichen Stimme. Erst
als verhaltenes Kichern erklang und das Mädchen an ihrer Seite,
die zwölfjährige Konkubine, sie unauffällig anstubste,
richtete sie ihren Blick in die Richtung, aus der das Brüllen
kam.
         Der
Hausherr sah ihr gerade ins Gesicht. Er hatte aufgeblähte, sehr
rote Wangen, was vielleicht auf seinen zornigen Zustand
zurückzuführen war.
         »Wieso
ist sie noch nicht schwanger?«, setzte er einen wohl schon
vorher begonnenen Wutausbruch fort. »Ich erlaube meinem Sohn,
ein sonnenverbranntes Barbarenmädchen in mein Haus zu bringen,
weil er es sich in den Kopf gesetzt hat, doch er schafft es trotzdem
nicht, mir einen Enkelsohn zu schenken, genauso, wie er Jahr für
Jahr bei den Prüfungen versagt? Wie soll das weitergehen? Was
soll aus dieser Familie werden?«
         Das
Brüllen verstummte und ließ nur Totenstille zurück.
Yazi war sicher, dass man es durch den ganzen Saal würde hören
können, wenn sie jetzt ein Essstäbchen fallen ließ.
Dann kam ein klägliches Murmeln von Yingxiongs, das erst nach
mehreren, barschen Nachfragen seines Vaters zu einer verständlichen
Lautstärke anschwoll.
         Er
versprach Besserung im neuen Jahr. Yazi hörte seine erste
Gemahlin leise seufzen. Sie selbst maß dieser Aussage keine
große Bedeutung bei.
         Zwei
Tage später teilte Laoshu ihr mit leuchtenden Augen mit, dass
ihr Gemahl sie diese Nacht zu sehen wünsche. Yazi vermochte
keine Freude zu empfinden, nur Unwillen, aus der Trägheit ihrer
Tage gerissen zu werden, die dank Ngiau ein wenig Bedeutung bekommen
hatten. Ratlos ging sie zum Spiegel und strich über ihre Haut,
die trotz aller Sonnenschirme einfach nicht so weiß werden
wollte wie die der anderen Frauen des Hauses.
         »Ich
glaube nicht, dass ich ihm wirklich gefalle«, sagte sie nur.
Laoshu legte ihr eine tröstende Hand auf die Schulter.
         »Ihm
gefallen keine Frauen«, flüsterte sie. »Er mag nur
Männer. Das wissen fast alle hier im Haus.«
         Yazi
hatte schon in ihrer Kindheit Gerüchte gehört, dass es
Männer mit solchen Neigungen gab, und fand nichts Überraschendes
an der Neuigkeit. Sie erklärte einiges an dem Spott, der ihr
seit ihrer Ankunft zuteil geworden war, und die stets schlechte Laune
der ersten Gemahlin. Nur die Frage, welchen Zweck ihr Dasein hier im
Haus erfüllen sollte, blieb weiterhin

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