Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
Vom Netzwerk:
verteilen. Doch Rong Dongji
beschloss zu bleiben. Er vertraute auf die Macht des Kaisers, dem er
sein Leben lang treu gedient hatte. Nur Feiglinge flohen vor dem
Feind, meinte er. Yazi dachte, dass jene Ziegen, die am schnellsten
vor dem Wolf davonliefen, auch am längsten lebten. Sie hatte
aber gelernt, dass ihr Leben von Anderen bestimmt wurde, und sah
keine Möglichkeit, sich dagegen aufzulehnen. Nachts umschlang
sie Chuntians kleinen Körper, entschlossen, ihre Tochter mit
aller Kraft zu schützen, was auch immer geschehen mochte.

    ******

         Zwei
Wochen später erklang das erste Donnern von Kanonen. Wehklagen
erfüllten die Frauengemächer, denn nun waren sie alle einem
übermächtigen Schicksal ausgeliefert. Yazi trank so ruhig
wie möglich ihren Tee und versuchte, die verstörte Chuntian
zu beruhigen. Sie fragte sich, was in den Köpfen der Männer
vorging, die nun zum Kampf antraten. Zumindest mussten sie nicht
tatenlos dasitzen und warten.
         Weiterhin
trugen Dienstboten Neuigkeiten ins Haus. Der Fluss Yangzi habe sich
grün gefärbt, hieß es, von all den grünen
Fahnen, welche die heransegelnde Kriegsflotte der Taiping schwang.
Die kaiserliche Armee suchte in allen Gassen, ganz gleich, wie elend
sie sein mochten, nach Blinden. Aufgrund ihres hervorragenden Gehörs
sollten sie herausfinden, wo die langhaarigen Rebellen begonnen
hatten, Tunnel in die Stadtmauern zu graben, um diese dann zu
sprengen. Leider behinderte heftiger, lautstarker Regen die
Durchführung dieses Plans.
         Als
der Kriegslärm nach einigen Tagen allmählich zum
Alltagsgeräusch verblasst war, schwoll er eines Morgens
schlagartig an, erschütterte die Wände des Hauses und wurde
zu einem lauten, wilden Schreien aus zahllosen Kehlen. Yazi erfuhr
von panisch herumrennenden Dienstboten, dass ein Teil der Stadtmauer
eingestürzt war und die Rebellen nun in Nanjings Straßen
strömten. Auch die Armee der Taiping war nicht frei von List
gewesen. Des Nachts war eine scheinbar riesige Armee um die
Stadtmauer galoppiert, die in Wahrheit nur aus Papierfiguren auf
Pferden bestanden hatte. Während die kaiserlichen Soldaten
versuchten, im Dunkeln die Bewegungen des Feindes zu verfolgen, hatte
eben dieser Feind an einer unbeobachteten Stelle der Mauer
Schießpulver deponiert. Danach rasten die Ereignisse nur noch
so dahin. Der Hausherr ließ alle Tore des Hauses verrammeln und
die Familie versammelte sich in der Ahnenhalle zum Gebet, doch konnte
bei den zahlreichen Klagen und Weinkrämpfen keine ehrfürchtige
Stimmung aufkommen. Yazi hielt Chuntians Hand so fest umklammert,
dass sie manchmal fürchtete, die kleinen Knochen zu
zerquetschen. Sollten die Rebellen das Haus stürmen, konnte sie
mit ihren großen Füßen vorgeben, nur eine
Bedienstete zu sein. Sie musste die Eindringlinge in der Sprache der
Hakka anreden, um so Verbundenheit zu schaffen. Sie musste überlegen
und handeln, denn die Rongs vermochten ihr keinen Schutz mehr zu
bieten, falls die Truppen des Kaisers versagten. Als treue Diener der
Mandschus würden sie die ersten Opfer der Angreifer sein.
         In
der folgenden Nacht entfernte sie die Bandagen von Chuntians kleinen
Füßen, damit sie nicht mehr als Tochter eines vornehmen
Herrn zu erkennen wäre. Das Mädchen schrie dabei ebenso
erbärmlich wie nach dem ersten Einbinden, doch ging ihr Schmerz
in dem allgemeinen Wehklagen unter. Das Haus fand keinen Augenblick
der Ruhe mehr, denn die Schätze der Rongs wurden in Kisten
verstaut und an einem geheimen Ort versteckt. Laoshu berichtete beim
Morgenmahl, dass etliche Dienstboten sich mit ein paar
Wertgegenständen davongemacht hatten. Das vornehme Haus der
Rongs würde sicher bald gestürmt werden und falls dann die
versteckten Schätze entdeckt wurden, dann wäre niemand mehr
sicher vor dem Zorn der langhaarigen Rebellen.
         Yazi,
die Chuntian in ihren Armen wiegte, um ihr Schluchzen zu stillen,
richtete sich auf.
         »Wohin
flüchten diese Dienstboten?«, fragte sie leise.
»Verstecken sie sich in der Stadt?«
         Laoshu
stellte das Essgeschirr, das sie gerade eingesammelt hatte, zur Seite
und beugte sich vor, um in Yazis Ohr flüstern zu können.
         »Es
heißt, man kann durch das Loch in der Stadtmauer nach draußen
verschwinden. Die Taiping sind zu sehr mit dem Kampf gegen die
Soldaten des Kaisers beschäftigt, um einfache Leute
aufzuhalten.«
         Yazi
überkam der sehnsüchtige Wunsch, ebenfalls aus diesem Chaos
der Angst

Weitere Kostenlose Bücher