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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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auf, fast bis zur Decke gefüllt
mit Stoffballen in allen Farben des Regenbogens.
         »Ich
will die Taiping freundlich empfangen, habe mich schon auf sie
eingestellt«, meinte der Schneider. »Wenn ich Glück
habe, lassen sie mich ihre Gewänder nähen. Es heißt,
sie mögen bunte, kräftige Farben.«
         Dann
drückte er Yazi auf einen Schemel und bot ihr eine Tasse Tee an.
         »Beruhige
dich. Uns Hakka werden sie verschonen. Wir werden einfach lernen, mit
den neuen Herren zu leben.«
         Yazi
empfand die Wärme der Teetasse in ihrer immer noch zitternden
Hand als erstaunlich wohltuend. Sie wagte es, Chuntian aus ihrem
schützenden Griff zu entlassen. Quan Li Shao hielt dem Mädchen
eine Schüssel Sojamilch hin.
         »Die
Soldaten des Kaisers … «, begann Yazi, verwirrt, dass
der Schneider den Sieg der Taiping bereits für eine
unumstößliche Tatsache hielt. Quan Li Shao winkte ab.
    »Tot
oder geflohen. Sogar die Zitadelle, wo die höchsten
Mandschu-Beamten sich verschanzt hatten, ist bereits gestürmt.
Die Männer der angesehenen Familien haben zuerst ihre Frauen und
Kinder, dann sich selbst getötet. Es ist niemand mehr in
Nanjing, um die langhaarigen Rebellen und ihren himmlischen König
wieder hinauszujagen.«
         Yazi
dachte an Hukshen und seine Freunde, die vielleicht zu den
Selbstmördern gehört hatten. Sie vermochte keine Trauer zu
empfinden. Vermutlich hatte Quan Li Shao Recht. Dies war nicht ihr
Krieg. Sie würde sich nur mit neuen Herren arrangieren müssen.
         »Bleib
heute Nacht hier«, bot der Schneider ihr lächelnd an.
»Deine Tochter und du, ihr könnt bei meinen Dienstboten
schlafen. In ein paar Tagen ist das Schlachten vorbei, dann wird
wieder Ruhe einkehren. Vielleicht haben wir ja gar kein schlechtes
Leben unter diesem Sohn eines fremden Gottes. Er ist immerhin Hakka,
einer von uns.«

    ******

         Eng
an Chuntians Körper geschmiegt fiel Yazi in einen steinernen
Schlaf. Am nächsten Morgen fühlte sie sich erstaunlich
erholt und stark. Gemeinsam mit zwei Bediensteten des Schneiders
verzehrte sie eine Morgensuppe, dann überließ sie Chuntian
der Obhut von Quan Li Shao, um einen Blick nach draußen zu
werfen.
         Der
Schlamm der Straßen hatte sich rot gefärbt, doch waren
Bedienstete bereits im Begriff, die Leichen auf Karren zu laden.
Männer mit Tüchern auf dem Kopf schritten selbstbewusst
herum. Sie trugen rote, knielange Jacken und Hosen in bunten Farben.
Trotzig hielten sie Speere hoch. An ihren Gürteln hingen
Schwerter oder lange Messer. Ihre Befehle erteilten sie lautstark in
jener Sprache, die Yazi von Kindheit an vertraut war.
         Dies
also war das Heer des himmlischen Königs.
         Yazi
lehnte sich an eine Hauswand und konnte das Geschehen ungestört
beobachten. Brandgeruch lag in der Luft und sie vermeinte, aus der
Ferne Schreie zu vernehmen. Gerüchte über die Drohungen
gegen buddhistische und daoistische Klöster fielen ihr wieder
ein. Sie wünschte von Herzen, dass die ihr vertraute Nonne
rechtzeitig aus der Stadt geflohen war, um dem sicheren Tod zu
entgehen.
         Vor
einigen Häusern waren Tische mit Tee und Speisen aufgestellt
worden, auch wenn die Bewohner sich nicht nach draußen wagten.
Lachend bedienten sich die Gotteskrieger, warfen das Geschirr dann
gegen Hauswände und traten die Tische um.
         Dann
erklang plötzlich ein lautes Wehklagen aus weiblichen Kehlen,
das immer näher rückte. Yazi lief ein Schauer über den
Rücken, doch vermochte sie den Blick nicht von der Straße
zu wenden. Mit Speeren wurde eine Gruppe von Frauen herangetrieben.
Alle trugen elegante, seidene Gewänder, die bereits mit Schmutz
und Blut befleckt waren. Ihre kunstvollen Frisuren waren zerzaust wie
Vogelnester. Erschöpft klammerten sie sich aneinander, halfen
sich auf die Beine, wenn eine von ihnen stürzte. Yazi trat einen
Schritt vor, wollte die Hände ausstrecken, um zu helfen, doch
ein Speerträger jagte sie an die Hauswand zurück.
         »Das
sind die räudigen Hündinnen der Mandschus«, knurrte
er. Yazi starrte auf die Gesichter der gefangenen Frauen und stieß
einen Schrei aus, als sie Hukshens Schwester Lanhua erkannte, die
eine wesentlich ältere Frau beim Gehen stützte. Kurz wandte
der Kopf der schönen Mandschu-Dame sich ihr zu. Sie nahm ein
Wiedererkennen in deren Augen wahr und rief ihren Namen, doch die
Gefangenen wurden erbarmungslos weitergetrieben.
         Yazi
folgte, ohne weiter

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