Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)
Lao Wai!«
»Dann
verhandele mit ihnen, wenn wir gewonnen haben«, entgegnete
Xiuquan gelassen. »Und was die Hinrichtungen betrifft, so ist
es meine Pflicht, in meinem Königreich für Ordnung zu
sorgen. Aber ich werde mich eine Weile zurückhalten. Bis Li
Xiucheng gewonnen hat.«
Sein
Rücken straffte sich ein wenig. Er füllte seine Reisschale
erneut. Rengan streckte die Hand nach der Weinflasche aus, doch
musste er inzwischen etwas angetrunken sein, denn er warf eine große
Schüssel zu Boden. Yazi setzte sich gemeinsam mit dem Diener in
Bewegung. In dem Bestreben, die verschüttete Suppe aufzuwischen,
stießen sie fast mit den Köpfen zusammen.
»Das
kann später entfernt werden!«, meinte Hong Xiuquan barsch.
Yazi eilte in ihre Ecke. Der Diener zögerte einen winzigen
Moment, um Rengan fragend anzusehen. Erst als der Schildkönig
ihm ein Handzeichen gegeben hatte, zog auch er sich wieder zurück.
Yazi
bemerkte eine Falte zwischen Xiuquans Brauen, die vorher nicht da
gewesen war.
»So
sehr ich den General Li Xiucheng schätze«, begann Rengan,
sobald sein Weinbecher wieder voll war. »Ich weiß nicht,
ob es klug ist, ihm allein das Kommando über ein riesiges Heer
zu überlassen. Er gehört nicht zu unserer Familie. Erinnere
dich an die Schwierigkeiten, die du bereits hattest, als du anderen
Außenstehenden zu viel Macht zugestanden hast.«
Die
Falte wurde tiefer. Hong Xiuquan presste seine Kiefer aufeinander.
»Aus
diesem Grunde«, meinte Rengan, der diese Veränderungen
entweder nicht bemerkte oder bewusst ignorierte, »wäre es
vielleicht ratsam, mich zum obersten Befehlshaber bei diesem Feldzug
zu machen. Ich werde das militärische Geschick des Generals
natürlich würdigen, doch auch ein Auge auf ihn haben.«
Er
lud sich etwas Fleisch nach und begann mit frischem Appetit zu essen.
Xiuquan hingegen hatte seine Stäbchen zur Seite gelegt. Yazis
Kehle wurde eng. Sie kannte dieses Funkeln in seinen Augen
mittlerweile zur Genüge und wusste, was es ankündigte.
Vier
weitere Schüsseln krachten zu Boden, als der himmlische König
heftig aufsprang und dem Tisch einen Stoß versetzte. Der Diener
blieb verängstigt stehen. Auch Yazi bewegte sich erst einmal
nicht. Sie wollte nicht in die Nähe der königlichen Fäuste
geraten, denn es hätte ihr nicht zugestanden, sich zur Wehr zu
setzen. Xuanjiaos Miene glich weiter kostbarem Marmor.
»Ich
allein bestimme hier, wer einen Oberbefehl bekommt«, zischte
der zweite Gottessohn. »Und wenn ich sage, es ist Li Xiucheng,
dann ist es Li Xiucheng!«
Rengans
Gesicht verzog sich, doch schien er mehr verärgert denn
erschrocken.
»Ich
wollte dir lediglich einige Ratschläge geben. Zu diesem Zweck
kam ich nach Tianjing. Du schienst erfreut, mich zu sehen.«
Hong
Xiuquan war ein paar Schritte um den Tisch gelaufen. Eine der
europäischen Uhren wurde zur Seite getreten und knallte gegen
einen Schrank. Ihr Ticken verstummte.
»Mich
allein hat der himmlische Herr auserwählt«, fuhr er fort,
während er weitere Kuriositäten beiseite fegte. »Ich
bin sein zweiter Sohn und höre seine Stimme. Meine erste
Gemahlin lebt im himmlischen Palast an der Seite meines Vaters. Also
bestimme ich und nur ich allein, was hier geschieht.«
Rengan
schob seine Essschüssel fort, nippte stattdessen wieder an dem
Weinbecher.
»Niemals
würde ich es wagen, deine Autorität in Frage zu stellen«,
erklärte er mit einem seidigen Hauch von Spott in seiner Stimme.
Dann sprang Xuanjiao plötzlich auf die Beine, doch gelang es
ihr, dabei kein Geschirr umzustoßen. Ihre Augen funkelten wie
dunkle Juwelen.
»Könnt
ihr endlich aufhören, euch wie kleine Kinder zu zanken?«,
zischte sie. »Wir haben einen mächtigen Feind und sollten
zusammenhalten, so, wie es am Anfang war.«
Yazi
musste lächeln, so sehr freute sie sich über diese Worte.
Doch Hong Xiuquans Gesicht wurde finster.
»Das,
meine liebste Schwester, ist eine Angelegenheit unter Männern.«
Ein
zartes Lachen perlte aus Xuanjiaos Kehle.
»Am
Anfang konntet ihr die Hilfe von uns Frauen gut gebrauchen«,
meinte sie. »Doch jetzt sollen wir wohl still und fügsam
sein wie die Damen der Han und der Mandschus.«
»Aber
nein, verehrte Cousine«, kam es nun mit dem gewohnten Elan von
Rengan. »Bei den Lao Wai verhalten die Frauen sich auch
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