Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)
Bevölkerung verlieren
werden. Und dass deine Landsleute sich nicht auf unsere Seite
schlagen werden, obwohl wir ebenfalls Christen sind.«
Andrew
nickte nur.
»Geschäftsmännern
wie meinem Bruder ist Geld wichtiger als Religion«, fuhr er
leise fort. »Es tut mir leid, um deinen Shi Dakai, der wirklich
bemüht schien, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen. Auch um
Hong Rengan, denn er ist ein kluger Kopf, der hätte helfen
können, China stark zu machen. Vor allem aber um Leute wie dich,
die ihr Leben diesem Aufstand weihten und sich eine bessere Zukunft
von ihm versprachen.«
Er
streckte die Arme nach ihr aus, doch Yazi war zu verstört, um
seine Nähe zu suchen.
»Wir
werden weiterkämpfen«, beharrte sie. »Vielleicht
entwickelt es sich doch anders, als du meinst.«
Er
rückte ein Stück an sie heran.
»Yazi,
der Angriff auf Shanghai wird euer Untergang sein. Es wäre
klüger, ihr würdet all eure Truppen hier lassen, um
wenigstens den Süden Chinas halten zu können. Wenn Nanjing
fällt, wird sehr viel Blut fließen, denn eure Herrscher
sind nicht gerade bekannt dafür, sich gnädig gegenüber
Rebellen zu zeigen.«
Yazis
Kehle wurde eng. Wie von selbst legte ihre Hand sich auf ihren Bauch,
um ein Leben zu schützen, das sie eigentlich hatte vernichten
wollen. Dann tauchte Chuntians feines, nervöses Gesicht in ihrer
Erinnerung auf. Sollte ihre Tochter noch mehr Gemetzel erleben
müssen?
Sie
spürte die Wärme von Andrews Fingern auf ihrem Arm.
»Wir
sollten Nanjing verlassen, noch bevor der Marsch gen Shanghai
beginnt«, drängte er. »Wenn du es nicht
unseretwillen tun willst, dann denke an deine Tochter. Du weißt
selbst, wie die kaiserlichen Soldaten mit den Frauen und Mädchen
der Besiegten verfahren.«
Yazi
hob abwehrend die Hände. Mit jeder Faser ihres Körpers
weigerte sie sich, an eine Niederlage zu glauben, die noch nicht
feststand.
»Ich
will nicht einfach davonlaufen«, sagte sie mit Nachdruck. »Der
Kampf geht weiter. Er wird ein neues, starkes China schaffen, für
mich und für Chuntian und für mein nächstes Kind.«
Im
Licht der Laterne sah sie Andrews himmelfarbene Augen noch runder
werden. Er holte Luft, dann schlang er seine Arme um sie. Ihr
Widerstand erlahmte, sobald sie seine Nähe spürte.
»Warum
hast du es mir nicht gleich gesagt, kleine Wildkatze? Aber jetzt
müssen wir wirklich fort. Es könnte dich den Kopf kosten,
weißt du das nicht? Ich bringe dich nach Shanghai, zu meiner
Familie.«
Yazis
Herz begann schneller zu schlagen. Sie kam nicht gegen ein Gefühl
rasender Freude an, denn in ihren heimlichen Träumen hatte sie
eben diese Reaktion von Andrew erhofft. Sie schmiegte sich enger an
seinen Körper, genoss das Gefühl, für eine Weile
schwach sein zu dürfen und sich auf seinen Schutz zu verlassen.
Dann
riss ein eiserner Griff sie aus aller Geborgenheit. Das Laternenlicht
ließ ein grimmiges Gesicht über ihr erscheinen, dessen
Augen Funken sprühten.
»Es
reicht«, meinte Pofu nur. »Ich habe genug gehört.«
Yazi
leistete keinen Widerstand, als sie in die Höhe gezogen wurde,
sie versuchte nur, so rasch wie möglich die Situation zu
erfassen. Pofu war allein, aber sie trug einen Dolch, während
Yazi unbewaffnet losgezogen war. Andrew war ebenfalls aufgestanden,
doch trat er einen Schritt zurück, wofür Yazi ihm dankbar
war. Die Einmischung eines Lao Wai hätte Pofu noch rasender
gemacht.
»Ich
ahnte schon die ganze Zeit, dass er dein Liebhaber ist«,
donnerte die Stimme der Generalin auf sie nieder. »Ich ließ
dich gewähren. Aber die Art, wie er mit dir spricht, das ist
Verrat. Er vergiftet dein Denken.«
Yazi
erinnerte sich, dass sie selbst Pofu einst ermutigt hatte, Mandarin
zu lernen. Nur deshalb war die Generalin nun in der Lage gewesen,
ihre Unterhaltung mit Andrew zu verstehen.
»Er
erklärte mir nur die politische Lage«, sagte sie so
gefasst wie möglich.
»Er
drängte dich, mit ihm fortzugehen. Den Kampf aufzugeben, damit
du in Ruhe als seine Konkubine leben kannst, während seine Leute
sich an uns bereichern«, schrie Pofu zurück, packte Yazis
Schultern und begann sie heftig zu schütteln. Andrew machte
Anstalten einzugreifen, aber Yazi wies ihn mit einer Handbewegung
zurück.
»Er
schlug mir vor, sich um mich zu kümmern, weil ich sein
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