Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)
Kind
erwarte«, erklärte sie, immer noch in der Hoffnung, Pofu
irgendwie zu beruhigen. »Die Entscheidung lag allein bei mir.«
»Du
hast seinem verräterischen Gerede gelauscht und dich davon
anstecken lassen«, kam es unbeirrt zurück. Pofus Faust
landete in Yazis Gesicht, ließ ein Feuer aus Schmerz in ihrem
Kopf explodieren und raubte ihr kurz das Sichtvermögen. Sie
hörte Andrews Protestschrei, und als die Welt wieder klare
Umrisse bekommen hatte, sah sie ihn mit Pofu im Gras ringen. Er
erwies sich als unerwartet kräftig, doch waren selbst geübte
Krieger von der Generalin niedergezwungen worden, wenn sie in Rage
geraten war. Kurz gelang es Andrew, die Größe seines
Körpers vorteilhaft einzusetzen, indem er Pofu zu Boden drückte,
doch da zog sie den Dolch von ihrem Gürtel. Yazi sah die Klinge
im Laternenlicht aufblitzen. Sie schrie und trat mit aller Kraft auf
Pofus Arm, bis der Griff des Dolchs ihren Fingern langsam entglitt.
Der fassungslose, vorwurfsvolle Blick der Generalin tat weh, dann
verwandelte er sich in ein zorniges Funkeln. Mit geschickten Tritten
entwand sie sich Andrews Griff und sprang auf die Beine. Bald schon
spürte Yazi die Gewalt von Pofus Schlägen auf ihrem ganzen
Körper. Als Andrew nochmals versuchte, sich einzumischen, wurde
er mit einem weiteren, gut gezielten Tritt zur Seite gefegt. Yazi
ging langsam in die Knie. Jeder ihrer Knochen schmerzte, sie
versuchte vergeblich, wenigstens ihren Kopf vor Hieben zu schützen,
die ihr allmählich das Bewusstsein raubten.
»Pofu,
bitte hör auf«, schrie sie, doch trafen sie nur weitere
Schläge. Das Feuer in den Augen ihrer Generalin brannte
mörderisch. Ein letztes Mal ballte Yazi all ihre Kraft und zwang
sich, in die Höhe zu springen und Pofu rückwärts zu
stoßen. Tatsächlich schwankte der kleine, stämmige
Körper, schaukelte und fiel schließlich zu Boden. Yazi sah
sich nach Andrew um, der bereits Pofus Dolch aufgehoben hatte, um ihn
drohend gegen die Brust der Generalin zu richten. Aber Pofu regte
sich nicht. Ihr Mund klaffte weit offen und aus den Augen war
jeglicher Zorn gewichen.
Yazi
lief ein Schauer über den Rücken. Leise rief sie Pofus
Namen, beugte sich schließlich hinab, um ihr Gesicht zu
befühlen. Erst als sie es zur Seite drehte, bemerkte sie den
großen, roten Fleck, der sich wie ein Kissen unter Pofus Kopf
ausgebreitet hatte. Ein fein verzierter, scharfkantiger Stein aus dem
Gemäuer der zerstören Pagode hatte sich in ihren Schädel
gebohrt.
»Pofu!«,
schrie Yazi verzweifelt und rüttelte den Körper, der noch
so warm und lebendig schien, aber sie hatte schon zu oft in tote
Gesichter geblickt, um sich falschen Hoffnungen hinzugeben. Wimmernd
sank sie in die Knie. Hatte sie ihrer Generalin zweimal das Leben
gerettet, um sie schließlich selbst zu töten?
Sie
spürte Andrews Hände auf ihrem Rücken und schüttelte
sie ab.
»Es
ist nicht deine Schuld«, drang seine Stimme an ihr Ohr. »Du
hast dich nur gewehrt. Es war ein Unfall.«
Sie
krümmte sich schluchzend, doch langsam erreichten seine Worte
den Kern ihres Bewusstseins und glätteten stürmische Wogen.
Sie ließ sich von ihm in die Höhe ziehen, wurde zum Rest
der Pagodenmauer geführt, auf die sie sich setzen konnte. Er
löschte die Laterne.
»Jetzt
müssen wir wirklich fort«, meinte Andrew völlig
ruhig. »Ich werde Pofus Leichnam in der Ruine verstecken. Du
läufst in die Stadt zurück und holst Chuntian.«
Yazi
beugte sich vor und ließ ihren Kopf zwischen den Knien baumeln.
»Pofu
verdient eine angemessene Beerdigung«, widersprach ihr
Pflichtgefühl.
»Die
wird sie bekommen, denn man wird sie am nächsten Tag finden«,
redete Andrew weiter. »Jetzt geht es um dich und um unser Kind.
Du hast nichts Unrechtes getan, aber ich fürchte, du bist
trotzdem in Gefahr. Bitte, Yazi, lass uns gehen.«
Sie
richtete sich auf, um in die himmelfarbenen Augen zu blicken. Es
mochte feige und schwach von ihr sein, doch mit einem Mal wurde ihr
klar, dass es tatsächlich in ihrem Leben nichts Wichtigeres gab
als diesen Mann und ihre Kinder.
Sie
streckte die Beine.
»Gut,
ich werde Chuntian holen und versuchen, auch zwei Pferde für uns
aufzutreiben.«
In
ihrem Kopf bereitete sie sich bereits auf diese Aufgabe vor. Die
Stadttore der inneren und auch der äußeren Stadtmauer
wurden nach Anbruch der Dunkelheit bewacht, aber sie
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