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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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liefern.«
         »Warum
liefert ihr nicht nach Nanjing?«, fragte Yazi. Zhameng lachte
leise.
         »An
das himmlische Königreich! Ein paar Soldaten sind vor ungefähr
einem Jahr hier gewesen, um uns den rechten Weg zu zeigen, aber sie
blieben zum Glück nicht lange. Der große Frieden, die
Brüderschaft aller Menschen, und vor allem, dass nun alles allen
gehören würde. Damit meinten sie wohl, wir würden in
ihre Tasche arbeiten. Kein Wunder, dass die Besitzer der großen
Webereien fast alle aus Nanjing geflohen sind. Wir machten gute
Geschäfte in Shanghai, aber jetzt ist der Weg dorthin
versperrt.«
         Yazi
fröstelte. Sie warf Andrew einen besorgten Blick zu.
         »Ist
es wirklich unmöglich durchzukommen?«, bohrte sie nervös
nach.
         »Im
Augenblick leider ja«, mischte Yonggong sich ins Gespräch,
während Zhameng begann, die leeren Schüsseln einzusammeln.
»Die kaiserliche Armee will Nanjing zurückerobern und
lagert im Umland. Das habt ihr doch mitbekommen?«
         Yazi
fühlte sich als Lügnerin entlarvt. Sie holte Luft, suchte
verzweifelt nach weiteren Ausflüchten, doch Zhameng kam ihr
zuvor. Sie setzte sich an ihrer Seite nieder und begann leise ein
Gespräch unter Frauen.
         »Ich
denke, du musstest fliehen, weil deine Familie deine Liebschaft mit
einem Lao Wai nicht duldete. Oder hast du gar einen Ehemann, der so
nett zu dir war, dass du dich in die Arme eines Fremdlings gestürzt
hast, um ihm zu entkommen? Ungefähr so ist es gewesen, nicht
wahr?«
         Ihr
Lächeln schien erstaunlich verständnisvoll.
         »Dein
weißer Geist scheint jedenfalls nett«, fuhr sie fort,
ohne Yazis Antwort abzuwarten. »Nicht so überheblich wie
die Missionare, die einmal hier gewesen sind. Man sieht euch an, wie
nah ihr einander seid.«
         Yazi
senkte den Blick. Trotz einiger Irrtümer hatte diese Frau die
wesentliche Lage sehr klar erfasst.
         »Und
du bist schwanger«, stellte sie zusätzlich fest. »Ich
bin die Hebamme des Dorfes. So etwas erkenne ich sofort.«
         Dann
begann sie, die Schüsseln in einem Eimer zu waschen. Yazis Zunge
klebte an ihrem Gaumen. Gleich würde jemand sie auffordern, die
Hütte zu verlassen, wenn nicht die gastfreundliche Zhameng dann
ihr misstrauischer Ehemann. Sie konnte es den Leuten nicht einmal
vorwerfen, denn sie hatten allen Grund, sich keine Gäste zu
wünschen, die Ärger hinter sich herzogen. Nun, ihre Mägen
waren gefüllt. Den nächsten Tag würden sie überstehen,
aber wie sollte es weitergehen, wenn sie keine Möglichkeit
hatten, Shanghai zu erreichen? Sie warf einen ratlosen Blick in den
Raum. Andrew beschäftigte sich weiter mit den Kindern, die einen
Kreis um ihn gebildet hatten. Glücklicherweise sah Chuntian
deshalb nicht mehr unglücklich aus. Zhameng und Yonggong
schwiegen, aber verständigten sich durch wechselnde
Gesichtsausdrücke. Schließlich wandte Zhameng sich
nochmals an Yazi.
         »Du
machst einen tüchtigen, kräftigen Eindruck und kannst mir
mit den Raupen helfen. Deine Tochter auch«, sagte sie nur.
»Gibt es etwas Nützliches, das dein Liebhaber für uns
tun könnte? Lao Wai halten sich doch für allwissend.«
         Sie
kicherte. Yazi grübelte eine Weile, dann schien alles plötzlich
völlig klar.
         »Er
kann deinen Kindern Mandarin beibringen, einige Schriftzeichen und
auch die Sprache seiner Landsleute«, erklärte sie voller
Überzeugung. »Die Dinge ändern sich in unserem Land,
durch diesen Krieg und durch den Einfluss der Lao Wai. Mein Liebhaber
kann der Jugend in eurem Dorf vielleicht eine bessere Zukunft
ermöglichen.«
         Zhameng
wusch weiter das Geschirr. Yazi sprang auf, um ihr beim Einräumen
der Schüsseln in ein Regal zu helfen. Sie nahm Yonggong als
Schatten im Hintergrund wahr und hörte sein Räuspern.
         »Ich
werde es mit den anderen Leuten im Dorf besprechen«, knurrte er
schließlich. »Werdet ihr verfolgt?«
         Yazi
drehte sich zu ihm um. Seine Augen bohrten sich in ihr Gesicht, als
wolle er deutlich machen, keine weiteren Lügen mehr zu dulden.
Sie geriet ins Schwitzen. Sie wollte diesen Leuten nicht die Armee
Hong Xiuquans auf den Hals hetzen. Aber niemand konnte wissen, wer
Pofu getötet hatte.
         »Meine
Familie«, begann sie vorsichtig, »lebt in Nanjing. Sie
haben im Augenblick andere Sorgen, als mich zu verfolgen. Aber ich
will euch nicht in Gefahr bringen, vielleicht sollten wir besser
gehen.«
        

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