Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)
war eine
angesehene Kriegerin, der die Wächter Vertrauen schenken würden.
Sie musste sagen, dass sie in einer wichtigen Mission unterwegs war,
bei der sie ihre Tochter und auch den Lao Wai mitnehmen wollte. Es
musste schnell gehen, bevor Pofus Verschwinden auffiel.
Auf
dem Weg in die Stadt wurde Yazi bewusst, wie viel Blut bereits an
ihren Händen klebte. Sie war sich nicht sicher, ob sie ein
friedliches, glückliches Leben noch verdiente, aber sie würde
darum kämpfen.
7. Kapitel
Sie
zogen durch eine finstere, mondlose Landschaft bis der Morgen graute.
Es war Yazi gelungen, ein paar Tael aus der gemeinsamen Kasse des
Guan einzustecken, sodass sie in kleineren Orten Essen erwerben
konnten. Die zwei Silberketten ihrer Mutter wollte sie für
äußerste Notfälle aufbewahren. Sie schlangen jede
Mahlzeit rasch hinunter und vermieden Gespräche, um sogleich vor
neugierigen Blicken zu fliehen. Yazi ging davon aus, dass noch nicht
nach ihnen gesucht wurde, denn sonst wären sie längst
aufgehalten worden. Obwohl Andrew sein weizenfarbenes Haar unter
einem Tuch verbarg und sich so weit wie möglich im Hintergrund
hielt, stach seine hohe Gestalt aus jeder Menge heraus. Je weiter sie
sich von Nanjing entfernten, desto ruhiger wurde Yazi. Nur die Dörfer
in der unmittelbaren Umgebung schienen unter direkter Kontrolle der
Taiping-Armee, bereits nach zwei Tagen konnte sie keine Gestalten in
roten und gelben Jacken, deren Haar sich wie eine Schlange auf ihren
Köpfen zusammenrollte, mehr entdecken. Die Bauern verrichteten
völlig unbehelligt ihre Arbeit, doch sahen sie ausgezehrter aus,
als Yazi sie in Erinnerung hatte. Der Krieg, meinte Andrew.
Drei
Tage später war ihnen das Geld ausgegangen, doch lag Shanghai
noch lange nicht in Sichtweite. Yazi hielt sich eisern aufrecht, aber
Chuntian begann bereits um die Mittagszeit leise zu wimmern, dass ihr
Magen vor Hunger schmerzte.
»So
schaffen wir es nicht bis nach Shanghai«, sagte Andrew
schließlich. Er zog einen kleinen, runden Gegenstand aus seiner
Jacke.
»Das
ist eine goldene Taschenuhr. Ich kann sie verkaufen«, erklärte
er hoffnungsvoll. Yazi fragte sich, welcher Bauer an diesem seltsamen
Ding Interesse haben sollte. Sie bräuchten einen Kunsthändler
und den würden sie nur in einer großen Stadt finden. Aber
davon abgesehen hatte Andrew Recht. Sie selbst wäre in der Lage,
längere Zeit ohne Nahrung auszukommen, denn das Leben in der
Armee hatte sie gelehrt, Entbehrungen zu ertragen. Doch ihre Tochter
war zerbrechlich, und sie wusste auch nicht, was von dem
Durchhaltevermögen eines so hochgewachsenen Mannes wie Andrew zu
halten war. Kleine Menschen verfügten über mehr Zähigkeit.
Als
das nächste Dorf am Horizont auftauchte, löste Yazi ihr
Haar, um nicht sogleich als Taiping-Kriegerin kenntlich zu sein. Sie
wandte sich an die erste Gestalt, die sie entdecken konnte, eine
Frau, die im Begriff war, Blätter von Maulbeerbäumen zu
pflücken. Mit ausgesuchter Höflichkeit erklärte sie,
mit ihrer Familie auf der Flucht zu sein, da ihr Dorf von den
vorrückenden Qing-Soldaten zerstört worden sei. Andrew
verhielt sich vernünftig, indem er im Hintergrund blieb. Noch
bevor die Frau antworten konnte, kam ein ebenso ausgemergelter Mann
hinzu, der Yazi misstrauisch musterte, als könne er jedes ihrer
Worte als Lüge durchschauen. Er holte Luft, wohl um genauere
Fragen zu stellen, doch seine Frau ließ ihm keine Gelegenheit,
denn sie nahm Chuntian sogleich an der Hand und führte sie in
eine kleine Lehmhütte, um ihr etwas Reis zu geben. Yazi folgte
hoffnungsvoll. Schließlich erhielt sie ebenfalls eine Schüssel
und wurde aufgefordert, ihren Begleiter hereinzubitten.
Andrew
überraschte die Familie durch seine inzwischen gute Kenntnis des
Nanjinger Dialekts. Yazi bemerkte, dass die Bäuerin ihn
neugierig, aber durchaus freundlich musterte. Als er ihren fünf
Kindern ein englisches Lied vorgesungen hatte, sie begeistert
mitsummten und er versuchte, ihnen die Worte beizubringen, begann
auch der Hausherr allmählich etwas entspannter dreinzublicken.
»Ich
bin Huang Zhameng«, erklärte die Frau, während sie
Tee einschenkte. »Mein Mann heißt Yonggong. Wir alle im
Dorf leben von unseren Seidenraupen. Doch seit dieser ewige Krieg
herrscht, sind die Zeiten für uns härter geworden. Ständig
blockieren Armeen die Gegend, wir können unser Garn nicht mehr
an die Webereien in großen Städten
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