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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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diesen
merkwürdigen Verrenkungen des Körpers offenbar empfanden.
Er konnte sich nun nicht mehr von ihr trennen.
         Viktorias
Atmung beruhigte sich, aber unsichtbare Nägel stachen von Innen
gegen ihre Schädeldecke. Sie fühlte sich zu schwach und
müde, um aufzustehen und das Reitkleid auszuziehen. Die
Petroleumlampe war bereits angezündet gewesen, als Viktoria in
ihr Zimmer getreten war. Vermutlich hatte der Kammerdiener dafür
gesorgt. Sie ließ das Licht weiterbrennen. Die Lider senkten
sich über ihre Augen, sodass es dennoch dunkel wurde. Sanft fiel
sie ins Reich des Schlafes, sah Piraten mit Drachenköpfen
Schiffe überfallen. Einer von ihnen wandte sich ihr zu.
Plötzlich erblickte sie Antons Gesicht mit freudig leuchtenden
Augen und einem zufriedenen Zug um den Mund, so wie heute am
Alsterufer, als sein Körper auf dem ihren gelegen hatte. Sie
streckte die Hände aus, um zärtlich über seine Wangen
zu streichen, doch plötzlich wich er zurück. Sein Gesicht
verwandelte sich wieder in einen Drachenkopf, dann löste es sich
in einem dichten Nebel auf. Sie zuckte unruhig und ihre Augenlider
flackerten. Störende Helligkeit riss sie aus ihren Träumen.
Sie wollte nur die Lampe löschen, um im Sessel weiterzuschlafen,
da wurde die nächtliche Stille von dem lauten, harten Geräusch
eines Schusses zerrissen. Viktoria fühlte, wie eisige Kälte
durch all ihre Glieder fuhr. Sie sprang auf, ergriff die
Petroleumlampe und rannte durch das schlafende Haus zum Zimmer ihres
Vaters. Hinter sich hörte sie Schritte. Auch andere Bewohner der
Villa mussten aufgeschreckt sein, doch alle Geräusche, die sie
verursachten, schienen leise im Vergleich zu Viktorias Herzschlag.
»Lieber Gott, bitte lass es nicht wahr sein«, murmelte
sie, als sie die Tür öffnete. Dann presste sie die zur
Faust geballte Hand gegen den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken.

    ******

         Das
Leben war eine Last, von der sie sich befreien wollte, doch fehlte
ihr die Kraft zu jeder Bewegung. Sie saß in einem tiefen,
dunklen Loch, in das kein Licht eindrang, verweigerte die Nahrung,
denn beim bloßen Anblick von Essen wurde ihr übel. Sie
sprach nicht, sie weinte nur. Ihr Körper war zu nichts anderem
mehr fähig als Tränen zu vergießen. Schließlich
erschien Dr. Hartmann, der alte Hausarzt der Virchows, und verschrieb
Medikamente, die ihr halfen die Augen vor dem Unansehnlichen zu
verschließen und betäubt in einem Halbschlaf
dahinzudämmern. Zwar tauchte das seltsam verzerrte Gesicht ihres
Vaters immer wieder darin auf, entstellt von einem Rinnsal frischen
Blutes, das von seiner rechten Schläfe aus über die Wange
floss und auf dem schwarzen Ärmel des Jacketts unsichtbare
Flecken bildete, doch sie entwickelte Fähigkeiten, dieses Bild
zu verjagen und durch andere, angenehmere zu ersetzen. Die vertraute,
warme Hand ihres Vaters hielt die ihre umklammert, als er mit ihr an
ihrem zwölften Geburtstag durch die Gassen Venedigs lief. Sie
tanzte wieder in Antons Armen, hörte seine Stimme spöttische
Bemerkungen über die anderen Paare murmeln. Es war so
wunderschön, einfach nur träumen zu können. Schöner
als alles, das sie vielleicht noch vom Leben zu erwarten hatte. Nur
der Anblick von Magdas besorgter Miene störte gelegentlich. Ein
stummer Vorwurf schien in den braunen Augen zu liegen. »So geht
es nicht weiter«, hörte sie eine Stimme sagen, ohne zu
wissen, wem genau sie gehörte. Doch sie begann immer lauter und
unangenehmer zu werden, bis Viktoria beschloss, wenigstens für
einen Tag auf eine neue Dosis Laudanum zu verzichten. Sie würgte
stattdessen ein trockenes Brötchen hinunter, spülte ihren
Mund mit Wasser aus. Dann sprach sie den Entschluss, dass sie heute
aufstehen würde, laut aus, wodurch es unumgänglich wurde,
ihm treu zu bleiben. Das freudige Strahlen auf Magdas Gesicht half
ihr, sich auf den Beinen zu halten, als sie angekleidet wurde, obwohl
die Wände des Zimmers sich wild um sie drehten.
         »Wir
brauchen das Korsett nicht, Fräulein Virchow. Sie sind sehr dünn
geworden«, meinte Magda mit einem schwachen Lächeln.
Viktoria schlüpfte in ihre Pantoffeln. Das geliebte
Musselinkleid hing tatsächlich lose an ihr hinab, obwohl sie
nicht eingeschnürt war.
         »Die
gnädige Frau wird sich sehr freuen, Sie im Salon zum Frühstück
zu sehen«, hörte sie Magdas Stimme, während sie
zögernd ein paar Schritte wagte. Die Aussicht, ihrer Mutter zu
begegnen, ließ sie kurz schwanken. Niemals

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