Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)
… mit Verlaub … dieses
Hotel … Also ich habe mit Richard gesprochen, der weiter in
der Reederei Ihres Vaters arbeitet. Der neue Besitzer hat ihn
übernommen. Er sagt, dass er vielleicht Arbeit für Sie
finden kann … also etwas, das … das auch Ihrer
gesellschaftlichen Stellung entspricht.«
Viktoria
entfuhr ein Kichern.
»Meine
gesellschaftliche Stellung ist mit den Zwangsvollstreckern aus der
Villa getragen worden. Sie kann ja nun öffentlich versteigert
werden, so wie die Kunstsammlung meines Vaters.«
Aus
dem Kichern wurde ein Lachen, das ihr Tränen in die Augen trieb.
Schluchzer schüttelten ihren Körper. Sie drehte sich um,
sehnte sich nach Einsamkeit, aber Magdas Arme umschlangen
unaufgefordert ihre Schultern.
»Es
wird alles gut, Fräulein Virchow. Richard sagt, er kann
vielleicht dafür sorgen, dass Sie eine gut bezahlte Stelle als
Gesellschafterin einer alten Dame bekommen. Aber es wäre nicht
in Hamburg.«
Viktoria
lachte auf.
»Ich
wollte mich gerade in Bremen bewerben. Meinetwegen gehe ich auch nach
Frankreich oder England. Dort kann ich mich verständigen. Wo
soll es denn sein?«
Magda
lächelte sie verlegen an.
»Fräulein
Virchow, es wird eine große Überraschung für Sie
sein. Ich möchte es erst sagen, wenn es sicher ist. Und jetzt
packen Sie am besten Ihre Sachen.«
Leichter
Ärger stach in Viktorias Brust. Magda hatte Fragen zu
beantworten. Und als Zofe hatte sie auch selbst das Packen zu
erledigen. Dann wurde ihr bewusst, wie sehr ihre Lage sich verändert
hatte, und sie beschloss, sich zusammenzureißen. Es war nicht
leicht, ohne Hilfe anderer Menschen durchs Leben zu kommen, wie sie
in den letzten Wochen gelernt hatte. Sie ging zu dem klapperigen
Schrank, wo die Gobelintasche lag.
******
Viktoria
erwachte von dem mittlerweile vertrauten Krach aus der Wohnung über
ihnen. Zunächst brüllte ein Mann wüste Flüche.
Möbelstücke oder auch andere Gegenstände prallten mit
lautem Krachen gegen die Wände. Danach protestierte eine
Frauenstimme empört, doch als das Toben nicht aufhörte,
wurde ihr Klang zu einem ängstlichen Wimmern. Am Ende folgten
gellende Schmerzensschreie, die Viktoria immer noch nicht aus ihrem
Bewusstsein verdrängen konnte.
»Dein
Nachbar verprügelt schon wieder seine Frau«, flüsterte
sie der neben ihr schlafenden Magda ins Ohr. Die Skerpovs waren zu
fünft und bewohnten zwei Räume des verdreckten, nach
undefinierbarem Unrat stinkenden Mietshauses im Gängeviertel.
Einen davon hatten sie gnädig der jungen Dame überlassen,
doch hatte Viktoria nach einigem Grübeln begriffen, dass sie ihn
wenigstens mit ihrer einstigen Zofe und Wohltäterin teilen
sollte. Gemeinsam schliefen sie in einem schmalen, harten Bett. Nun
rührte Magda sich leicht, öffnete widerwillig die Augen.
»Das
macht er doch immer, wenn er im Morgengrauen betrunken nach Hause
kommt« murmelte sie schlaftrunken. »Einmal habe ich
meinen Bruder Eddie überredet einzugreifen. Er kam mit einem
blauen Auge zurück. Das stammte aber von der Ehefrau, die wütend
war, dass er ihren Mann angriff.«
Magda
rollte sich auf den Rücken und rieb ihre Augen.
»Meine
Mutter sagte immer, ein Mädchen solle so früh wie möglich
heiraten, damit es keinen Unsinn anstelle«, fuhr sie nach einer
Weile fort. »Aber nach alldem, was ich als Kind in der
Nachbarschaft erlebt hatte, begriff ich, dass eine frühe Heirat
der allergrößte Unsinn ist. Ich habe lange darum gekämpft,
als Bedienstete in einem reichen Haus arbeiten zu können. So
brauchte ich keinen Ernährer.«
Viktoria
staunte immer noch, wie wenig sie früher über Magda gewusst
hatte. In diesem zarten Wesen, das wie ein Mäuschen durch die
Villa in Marienthal gehuscht war, steckte eine unerschütterliche
Zähigkeit.
»Aber
deinen Richard, den magst du doch«, meinte sie nur. Magda
begann versonnen zu lächeln.
»Er
ist fleißig und bemüht sich, im Leben voranzukommen. Er
trinkt nicht, wird niemals ausfallend und wünscht sich Kinder,
denen er eine Zukunft bieten möchte. Nur dank meiner Stellung
als Hausmädchen bei einem Reedereibesitzer hatte ich die Chance,
einen Büroangestellten kennenzulernen, der andere Ziele vor
Augen hat, als sein nächstes Gehalt zu versaufen.«
Nun
waren ihre Augen wach und leuchteten. Rasch erzählte sie
Viktoria, wie ihr Richard mit Herrn Behm
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