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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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verbreitete. Zwei Männer gerieten wegen einer
geheimnisvollen Schönen in Streit und ein Duell wurde
angekündigt. Viktoria lauschte neugierig, obwohl ihr einige
Unstimmigkeiten auffielen. Aus dem ungarischen Husar wurde plötzlich
ein russischer Adeliger im Exil. Die begehrte Dame hatte zunächst
blondes, dann auf einmal teuflisch schwarzes Haar. Viktoria hatte
schon viele solcher Erzählungen von der bettlägerigen Dame
gehört, die sich alle darin ähnelten, dass sie trotz aller
Widersprüche höchst dramatisch und aufregend klangen.
Vielleicht sollte Margaret Huntingdon ihre Zeit nutzen, um Romane zu
schreiben. Viktoria überlegte gerade, ob sie sich dafür als
Schreibkraft anbieten sollte, als die knitterigen, von blauen Adern
gezeichneten Finger sich auf ihre Hand legten.
         »Ich
mag Sie, Miss Virchow. Schwester Maud hört niemals zu, wenn ich
ihr von meinem Leben erzählen will. Emily verzieht nur das
Gesicht und unterbricht mich baldmöglichst, bevor ich etwas
Unanständiges berichten kann. Aber Sie … Sie gieren nach
dem Abenteuer. Diese Rastlosigkeit, die kenne ich. Ich wuchs in einem
kleinen Dorf in Südengland auf und starb fast vor Langeweile,
bis mir mein James über den Weg lief und sich großzügig
anbot, mir die Welt zu zeigen.«
         »Na,
da hatten Sie ja Glück«, erwiderte Viktoria spontan. Sie
staunte, dass ein neidvoller Stachel in ihrer Brust steckte und riss
sich zusammen. Sie hatte doch selbst Glück mit dieser
Anstellung. Unverschämtes Glück.
         »Auch
zu Ihnen wird das Abenteuer noch kommen. Vielleicht sollten wir ein
bisschen nachhelfen«, plauderte die alte Dame. Bevor Viktoria
ratlos fragen konnte, wie das gemeint war, fuhr sie auch schon fort.
»Sie sind zu jung und zu hübsch, um Ihr Leben als alte
Jungfer zu verbringen. Hier in Shanghai gibt es genug Möglichkeiten
für eine Frau. Sie müssten nur ein wenig unter die Leute
kommen.«
         Enttäuschung
stieg in Viktoria hoch. Sie hatte von Margaret Huntingdon mehr
erwartet als das Angebot, baldmöglichst unter die Haube gebracht
zu werden.
         »Ich
habe kein Interesse an einer Eheschließung«, erwiderte
sie ohne Zögern. Die alte Dame kicherte.
         »Aber,
aber, solche Worte passen nicht zu einem jungen, hübschen
Mädchen. Sind Sie enttäuscht worden?«
         Das
Gefühl, ertappt worden zu sein, ließ Viktoria
zusammenzucken. Auf einmal wurde sie wütend.
         »Selbst
wenn es so war, dann tut es nichts zur Sache«, zischte sie auf
sehr unhöfliche Weise.
         »Nein,
das tut es nicht, wenn die Leidenschaft wieder entflammt ist. Eine
neue Liebe ist die beste Medizin gegen ein gebrochenes Herz«,
erwiderte Margaret Huntingdon mit nervtötender Weisheit. Bevor
Viktoria etwas erwidern konnte, fuhr sie auch schon fort.
         »Es
gibt so eine unausgesprochene Verschwörung unter den angesehenen
Damen der Gesellschaft, hübsche Gouvernanten und
Gesellschafterinnen unter Verschluss zu halten, damit sie den
heiratsfähigen Töchtern nicht in die Quere kommen. Wir
müssen etwas dagegen unternehmen. Ich werde Emily sagen, dass
ich wieder mehr Leute sehen möchte. Sobald sie irgendwo
eingeladen wird, bleibt ihr nichts anderes übrig, als mich
mitzunehmen, und Sie brauche ich dann natürlich auch an meiner
Seite.«
         Margaret
Huntingdon tätschelte weiter Viktorias Hand, aber ihre Lider
begannen zuzufallen. Viktoria erinnerte sich, dass sie es mit einer
Invalidin zu tun hatte, und ließ ihren Unmut mit einem Seufzer
entweichen, anstatt energisch zu widersprechen. Die alte Dame war
bereits in einen Schlummer gefallen. Morgen schon hätte sie
diesen albernen Plan sicher vergessen.
         Sobald
ein leises Schnarchen erklang, schob Viktoria sanft das Kissen unter
den Kopf Margaret Huntingdons und zog ihr die Decke aus dünnem
Leinen bis zum Kinn. So schlief es sich angenehmer. Dann stand sie
auf, um an den kleinen Schreibtisch zu gehen und ein leeres Blatt
Papier aus ihrer Tasche zu ziehen. Sie hatte schon seit mehreren
Tagen vorgehabt, Magda endlich einen Brief zu schreiben, doch in den
wenigen, einsamen Stunden, die ihr täglich zur Verfügung
standen, schien ihr Kopf wie leergefegt. Es gab so vieles, was sie
berichten konnte, aber es wollte sich nicht in ein zusammenhängendes
Ganzes fügen, das lesenswert wäre. Die endlosen Wochen in
dem engen, schwankenden Raum, nachdem sie in Antwerpen Abschied von
Europa genommen hatte, um an der Küste Afrikas entlangzufahren.
Ein

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