Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
Vom Netzwerk:
und Angst. Sie wollte in dieses riesige, unbekannte Land
eintauchen und mahnte sich gleichzeitig zur Vorsicht.

    ******

         Margaret
Huntingdon hatte ihren Plan leider nicht vergessen, denn zwei Wochen
später saß Viktoria an ihrer Seite bei einem Ball, den der
britische Konsul veranstaltete. Sie hatten nur eine kurze Strecke in
einem von Chinesen gezogenen Gefährt zurücklegen müssen,
um an den Ort des Geschehens zu gelangen. Viktoria hatte dem
Musselinkleid mit ihrem Granatschmuck nachgeholfen, doch war ihr
durchaus bewusst, dass sie neben den in Seide gehüllten, mit
Gold behangenen Damen schäbig wirkte. Immerhin hatte sie sich
überwunden, wieder ihr Korsett anzuziehen, und es so eng
geschnürt, wie sie es allein fertigbrachte.
         Es
war einigermaßen kühl in dem Garten des englischen
Konsulats, das am nördlichen Ende vom Bund, dicht an der Suzhong
Creek, einem Seitenfluss des Huangpu lag. Eine Blütenpracht, wie
Viktoria sie nie zuvor gesehen hatte, betörte das Auge. Im
Hintergrund spielte ein Orchester gefällige Melodien. Es war ein
wenig wie zuhause in Marienthal, nur hatten die Diener allesamt
asiatische Gesichter und chinesische Kleidung, deren Eigenart darin
bestand, dass Frauen ebenso wie Männer unter ihren langen,
weiten Jacken Hosen trugen. Auch war das Haar beider Geschlechter
lang, wobei die Männer sich den Kopf rasiert hatten und nur
einen Zopf an ihrem Hinterkopf hinabhängen ließen. Mit
undurchdringlicher Miene servierten sie Tee, Limonade, Sherry und
manchmal Whiskey. Robert Huntingdon war aufgestanden und hatte sich
mit einigen Herren etwas abseits gestellt, um die Damen nicht durch
Zigarrenrauch zu belästigen. Emily Huntingdon saß
schicksalsergeben neben ihrer Schwiegermutter. Sie schien sich in
Gesellschaft nicht unbedingt wohlzufühlen, denn ihre Finger
lagen nervös verkrampft in ihrem Schoß, während um
sie herum geplaudert wurde. Eine unsichtbare Glaswand umgab Robert
Huntingdons blasse, unscheinbare Frau.
         »Ich
hoffe, Sie hatten auf dem Weg hierher nicht wieder Probleme mit den
Kulis«, wandte sich eine Dame in Schwarz mit Monokel vor dem
Auge an Emily, wie um sie aus ihrer Starre zu reißen.
         »Aber
nein, wir wurden gleich hierher gebracht«, erwiderte die
Angesprochene hastig, als wolle sie das Reden schnell hinter sich
bringen »Aber es ist so schrecklich laut auf den Straßen.
Früher, bevor wir den Chinesen erlaubten, sich in der
internationalen Siedlung niederzulassen, war alles zivilisierter.
Dieser barbarische Aufstand vor über zwanzig Jahren brachte alle
Ordnung, die dieses Land noch hatte, zum Einsturz.«
         Die
Dame mit Monokel hielt diese Aussage nicht für wichtig genug, um
sie zu kommentieren, wandte sich daher wieder an den Pastor, der
neben ihr saß.
         »Ach,
der Taiping-Aufstand«, redete Margaret Huntingdon sogleich
drauflos, als habe sie nur auf eine Gelegenheit gewartet, um sich ins
Gespräch einzubringen. »Wir wussten ja damals gar nicht,
was da auf uns zukam. Eine neue Regierung in China, aber wie würde
sie aussehen? Da glaubte so ein Chinese plötzlich, er sei der
jüngere Bruder von Jesus. Mein Gott, auf so eine Idee muss man
erst einmal kommen!«
         Der
betrübte Blick des Pastors hinderte sie nicht am Kichern.
         »Aber
wie kam er denn dazu, das zu denken?«, fragte Viktoria
staunend.
         »Er
war Chinese«, kam es von Emily Huntingdon, als erkläre
allein dieser Umstand alle verrückten Ideen, die ein Mensch
haben konnte.
         »Meinen
denn viele Chinesen, mit unserem Herrgott verwandt zu sein?«,
bohrte Viktoria weiter nach und erntete ein Stirnrunzeln der jüngeren
Mrs. Huntingdon.
         »Aber
warum sollten sie denn, um Gottes willen?«, erwiderte Margaret
lachend. »Nein, die haben ihre eigenen Götter. Dieser
Chinese, also seinen Namen habe ich vergessen, hatte eine chinesische
Bibelübersetzung gelesen und sie sehr fantasievoll
interpretiert, würde ich sagen. Aber das wirklich Verrückte
ist ja, dass er Tausende von Anhängern fand. Der brachte fast
das Kaiserreich in China zum Einsturz, das muss man sich einmal
vorstellen. Ob der Missionar, der damals mit ihm die Bibel studierte,
wohl ahnte, was das für Folgen haben würde?«
         Wieder
sprudelte ein Lachanfall aus der beweglichen Hälfte des faltigen
Gesichts. Emily seufzte gequält. Der anwesende Pastor räusperte
sich und begann, mit der Dame in Schwarz zu plaudern. Ahnte Margaret
Huntingdon, wie

Weitere Kostenlose Bücher