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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Chinesen verboten war. Viktoria drückte ihm eine
weitere Münze, diesmal einen mexikanischen Dollar, in die Hand,
was in der internationalen Siedlung die gängige Währung
war.
         »Warte
hier, ich komme bald wieder«, sagte sie dann. Sie hatte keine
Lust, allein durch das Grün zu laufen, auch wenn hier unbekannte
Sträucher und Pflanzen wuchsen. Die Erinnerung an ihre
heimlichen Treffen mit Anton verfolgte sie mit erneuter Heftigkeit,
seit sie Anettes heimliche Komplizin geworden war. Sie suchte ein
Entkommen. Eine völlig unvertraute Umgebung, die sie so sehr in
den Bann ziehen könnte, dass die Vergangenheit unwichtig wurde.
         Nathan
und Anette kamen freudig aufeinander zugeeilt. Viktoria musterte
unsicher die anderen Spaziergänger. Hier flanierten die
wohlhabenden westlichen Bewohner Shanghais, eine durchaus nicht
kleine, aber dennoch überschaubare Gemeinde. Sie war sich
sicher, einige Gesichter von dem Ball des britischen Konsuls
wiederzuerkennen und drückte sich an den Stamm eines knorrigen
Baumes, um nicht aufzufallen. Anettes verbotenes Treffen würde
sicher nicht unbemerkt bleiben, überlegte sie, doch dann sah
sie, wie Nathan auf eine andere Jinrikscha wies, die ebenfalls am
Parkrand wartete.
         »Die
Damen sollten mir möglichst unauffällig folgen.
Mademoiselle Desmoulins muss schnell einsteigen, wenn niemand
zusieht«, meinte er knapp. Sein Englisch war fehlerfrei, wenn
auch mit Akzent behaftet. »Ich hoffe, ihre Lehrerin kann sich
die Zeit irgendwie vertreiben, ohne allein im Park herumzulaufen, wo
sie auffallen könnte. In genau zwei Stunden sind wir wieder
hier. Und die Lehrerin sollte dann auch da sein, um die Mademoiselle
nach Hause zu begleiten.«
         Er
schenkte Viktoria ein großzügiges Lächeln und steckte
ihr rasch ein paar Geldscheine zu. Viktoria überwand den Drang,
sie ihm ins Gesicht zu werfen. In diesem neuen Leben konnte sie jedes
zusätzliche Einkommen gebrauchen.
         Das
heimliche Verschwinden des Liebespaares ging schnell vonstatten. Zwei
Hunde hatten sich aufeinander gestürzt und der Streit ihrer
Besitzer, wer für diesen Angriff vor dem Eingang des Parks
verantwortlich war, zog allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Viktoria
blieb am Parkrand stehen, drängte sich durch die Menschenmenge
auf der Straße, bis sie wieder Shikai erblickte. Entschlossen
schwang sie sich in die Jinrikscha.
         »Wir
machen jetzt einen Ausflug, von dem du nicht reden wirst, denn sonst
gibt es kein Geld mehr von mir«, meinte sie. Er nickte
gleichmütig.
         »Wohin
wollen Missee fahren?«
         Ja,
wohin eigentlich? Die internationale Siedlung kannte sie einigermaßen
und mittlerweile auch die französische Konzession. Aber es gab
noch ein geheimes, hinter einer Mauer verborgenes Shanghai.
         »Ich
möchte in den chinesischen Stadtteil. Dort, wo du immer
hingehst, wenn ich bei den Desmoulins bin.«
         Shikai,
der bereits die Griffe der Jinrikscha in der Hand hielt, drehte sich
plötzlich um. Zum ersten Mal sah Viktoria ein völlig
verblüfftes chinesisches Gesicht. Mit den weit aufgerissenen
Augen und dem halb offenen Mund wirkte er keineswegs undurchschaubar
und weise, sondern ganz und gar menschlich.
         »Das
kein Ort für weiße Lady«, erwiderte er entschieden.
Viktoria erinnerte sich an Margarets Erzählungen.
         »Du
meinst wohl, ich bin eine Teufelin, die deine Leute verhext«,
entgegnete sie kichernd. »Keine Angst, ich will mich nur
umschauen.«
         Shikai
war weiterhin auf der Straße festgewachsen. Andere
Jinrikschafahrer schubsten sich mit zornigem Plärren an dem
Hindernis vorbei. Redeten Chinesen jemals leise miteinander?
Schließlich ließ Shikai die Griffe auf den Boden sinken,
um näher an Viktoria heranzutreten, als er es je zuvor gewagt
hatte. Sie hätte nur die Hand heben müssen, um seinen
pechschwarzen, glatten Schnurrbart zu berühren. Ein starker,
scharfer Geruch ging von dem Mann aus.
         »Missee
wollen sehen Hinrichtung?«, flüsterte er mit einem Funkeln
in den Augen. »Finden heute statt. Junge, schöne Frau, hat
Mann vergiftet. Wird in Stücke geschnitten. Wollen sehen? Ich
fahren Missee hin, schnell und sicher, für nur zwei Dollar.«
         Viktoria
begann trotz der Hitze zu frieren und presste ihren Rücken in
den Jinrikschasessel. Shikai zeigte grinsend gelbe Zähne.
         »Ich
weiß, weiße Leute sagen wir Barbaren, weil machen solche
Hinrichtung. Aber oft wollen

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