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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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nehmen ihn mit.«
         Entschlossen
hielt sie ihm sämtliche Geldscheine, die ihr Nathan Sassoon
überreicht hatte, unter die Nase. Shikais Augen begannen zu
leuchten. Zwar sah er Viktoria immer noch an, als gehöre sie zu
einer ganz besonders undurchschaubaren Gattung Mensch, aber er setzte
sich in Bewegung.
         Eine
Weile später standen sowohl Jinrikscha als auch Karren wieder
auf ihren Rädern. Die Käfige mit den Kindern verschwanden
im Dickicht der Hütten. Nur der Junge war zurückgeblieben,
lag blutend in der Jinrikscha, doch regten seine Beine sich
allmählich wieder.
         Viktoria
war ihr Geld los. Sie war sich sicher, dass Shikai etwas davon
eingesteckt hatte, aber darauf kam es jetzt nicht an. Ihr gehörte
nun ein chinesischer Junge, der sich wie eine bissige Ratte benommen
hatte. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was sie mit ihm anfangen
sollte.
         »Er
braucht einen Arzt«, meinte sie zu Shikai, der nur knapp
nickte.
         »Er
leben, werden wieder gesund. Chinesen zäh. Soll ich ihn
festbinden?«
         »Wozu
denn?«, fragte Viktoria entsetzt und erhielt wieder einen
ungeduldigen Blick.
         »Damit
nicht kann beißen. Oder weglaufen.«
         Nun
war es an Viktoria, zornig zu schnauben.
         »Wenn
er weg will, dann kann er gehen. Ich meine, er hat doch sicher ein
Zuhause. Eine Familie. Dieser Sklavenhändler muss ihn entführt
haben.«
         Shikai
verzog das Gesicht.
         »Arme
Leute verkaufen ein Kind, damit andere Kinder nicht verhungern. Meist
Tochter, doch wenn viele Söhne auch Sohn. Wenn Junge hier
herumlaufen, andere Menschenhändler ihn fangen. Das hübsche
Junge. Manche Männer das mögen.«
         Viktoria
hoffte, die Bedeutung dieser Worte missverstanden zu haben, doch
Shikai legte ihren fassungslosen Gesichtsausdruck wohl falsch aus.
         »Auch
weiße Männer manchmal mögen hübsche Junge«,
erklärte er, als wolle er sein Land verteidigen. Viktoria
presste die Hände an ihre Wangen. All das wurde ihr zu viel. Sie
schob den verletzten Jungen sanft zur Seite, um selbst in die
Jinrikscha klettern zu können.
         »Bring
mich jetzt zurück zum Park. Dann reden wir weiter«, sagte
sie und war erleichtert, dass Shikai ohne jede Widerrede gehorchte.
         Der
Junge hatte die Augen weit geöffnet, als er durch das Tor in die
französische Konzession gefahren wurde. Unter den offenen Wunden
erkannte Viktoria Narben, die von früheren Schlägen
zeugten. Sie wollte ihm tröstend übers Gesicht streichen,
fürchtete aber, erneut gebissen zu werden.
         Zunächst
musste sie Anette nach Hause bringen. Dann würde sie versuchen,
den Jungen ins Haus der Huntingdons zu schmuggeln, ohne dass es Emily
auffiel. Sie hoffte auf Margarets Unterstützung. Irgendeine
Arbeit konnte dieses Kind sicher verrichten, sobald es wieder auf den
Beinen war.

    ******

         Anettes
Strahlen verwirrte Viktoria, denn sie selbst begann Schmerzen an
ihren Knien und Unterschenkeln zu spüren, die wohl von dem
Aufprall der umgekippten Jinrikscha herrührten. Der große
Blutfleck auf ihrem Kleid sah sicher nicht besonders apart aus. Sie
hoffte, ihn auswaschen zu können, denn ein neues Kleid würde
sie sich so schnell nicht leisten können.
         »Ach,
Miss Virchow, wir waren in einem chinesischen Theater«,
plapperte die Französin sogleich los. Sie sprach nun englisch,
vermutlich, damit auch Nathan sie verstehen konnte. »In der
Foochow Road. Da waren außer uns fast nur Chinesen, die haben
geschubst und gebrüllt wie immer. Auf der Bühne sprangen
sie durch die Luft und kreischten in sehr hohen Tönen. Ich habe
einfach nicht begriffen, worum es in der Geschichte ging, obwohl
Nathan mir alles übersetzte. Er kann fließend Chinesisch,
er ist hier geboren, wissen Sie, ein sehr gebildeter Mann …
aber Miss Virchow, was ist denn mit Ihnen passiert?«
         Anettes
Redeschwall verstummte schlagartig, auch wenn ihr Mund weiter offen
stand.
         »Ich
hatte einen kleinen Jinrikscha-Unfall«, erklärte Viktoria
mit einem bemühten Lächeln. Jetzt musste sie noch den
Jungen erklären, der in der Jinrikscha lag.
         Anette
wandte sich ratlos an Nathan.
         »Sind
Sie verletzt?«, fragte der sogleich. Viktoria schüttelte
den Kopf. Sie fühlte sich, als hätte sie Prügel
bezogen, doch vermutlich würde mit der Zeit alles heilen.
         »Da
ist ein Kind, ein kleiner Junge«, begann Viktoria zaghaft. »Ich
… er saß in

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