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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Falkenberg noch
lebt, wird er mich suchen lassen. Ich bin ihm zweimal davongelaufen, und ich
bin mir sicher, dass er das nicht hinnehmen wird.«
    »Falls er wirklich noch lebt«, gab Balthasar zu bedenken.
    »Er wird alles tun, um die Wahrheit zu erfahren. So, wie ich es
jetzt sehe, weiß er sowieso längst, dass Anselmo noch lebt und wo er sich
aufhält. Ich traue nichts und niemandem mehr.«
    Vorsichtig huschten sie durch die Nebelschwaden der Morgendämmerung.
    Plötzlich zerschnitt ein Ruf die Stille und den Nebel: »Halt! Wer
da?«
    Gleich darauf eine zweite Männerstimme: »Nicht bewegen! Stehen
bleiben!«
    Bernina und Balthasar machten sich erst gar nicht die Mühe
herauszufinden, wo genau die Soldaten sich befanden.
    Sie rannten los. Sofort. So schnell sie konnten.
    Fast gleichzeitig krachten zwei Schüsse. Bernina hörte die Kugeln,
die mit einem surrenden Ton an ihr vorbeijagten.
    »Weiter!«, rief Balthasar. »Bevor sie nachgeladen haben, müssen
wir bei der Scheune sein.«
    Sie schafften es und rannten weiterhin mit aller Kraft um das
Gebäude herum.
    »Sind sie hinter uns her?« Bernina warf einen raschen Blick nach
hinten.
    »Ich glaube nicht. Los, in diese Gasse rein.«
    Sie liefen über Kopfsteinpflaster, beschattet von links und rechts
aufragenden Fachwerkhäusern. Das Echo ihrer Schritte verfolgte sie, bis sie
wiederum in eine schmale Gasse bogen, um in einem Stall zu verschwinden.
Nebeneinander ließen sie sich auf feuchtes Heu fallen. Eine niedrige Decke,
Bretterwände, scharfer Pferdegeruch, kleine Fensteröffnungen, vor die man
Tierhäute gespannt hatte. In einer Ecke zwei dürre Esel, deren Ohren nach unten
wiesen.
    »Wir sind ihnen entwischt. Falls sie überhaupt die Verfolgung
aufgenommen haben. Da draußen ist jedenfalls niemand.«
    »Sieht so aus.« Balthasar richtete sich auf und spähte kniend
durch den engen, türlosen Eingang, durch den sie eben hineingestürmt waren.
»Und was jetzt?«
    »Wir müssen das Lazarett finden.«
    »Du wartest besser hier – lass mich zunächst allein herumschnüffeln.
Vielleicht finde ich jemanden, der etwas weiß.«
    »Kommt nicht infrage«, widersprach Bernina rasch. »Ich begleite
dich.«
    »Aber ich falle gewiss nicht so auf wie du.
Eine Frau in einem edlen Gewand, das ziemlich mitgenommen aussieht … nun
ja.«
    Sie sah an sich herab, auf den teuren Stoff ihres Kleides, aber
auch auf die vielen Flecken und Risse, die es abbekommen hatte. Seit jenem
Morgen trug sie es, als sie sich in den Sattel geschwungen hatte und von
Schloss Wasserhain davongaloppiert war.
    »Vielleicht bin ich ja wirklich etwas zu auffällig …«
    »Ich gehe.« Er beugte sich zu ihr herunter, um ihr unbeholfen die
Schulter zu tätscheln. »Verhalte dich einfach ruhig, lass dich nicht am Eingang
sehen. Und keine Angst – ich bin zurück, so schnell es geht.«
    »Ich werde warten, Balthasar.«
    Er nickte und schob seinen breiten Körper nach draußen auf die
Straße. Und Bernina holte tief Luft. Sie drückte ihren Rücken noch fester gegen
die Wand, versuchte sich ein wenig kleiner zu machen. Einer der Esel starrte
sie mit ausdruckslosen Augen an.
    Anselmo, dachte sie. Wenn du in dieser Stadt bist, dann sind wir
bald wieder zusammen. Wenn du verletzt bist, dann halte durch. Halte einfach
durch.
    Die beklemmende Atmosphäre in Offenburg, diese Ruhe um sie herum,
das Warten, die Enge des Stalles und vor allem die Ungewissheit, wie es
wirklich um Anselmo stand, zerrten an Berninas Nerven, lasteten schwer auf
ihren Schultern. Am liebsten wäre sie einfach losgelaufen, hätte an die Tür
jedes einzelnen Gebäudes der Stadt geklopft und jeden Raum nach Anselmo
abgesucht. Gleichzeitig kam ihr alles so unwirklich vor. Nicht nur die
Situation, in der sie sich befand, auch die Vergangenheit entzog sich ihr. Aber
sie sprach sich selbst gut zu und erinnerte sich an das, was sie zu Balthasar
gesagt hatte: Wer in Gedanken aufgibt, hat schon verloren.
    Plötzlich brach ein gewaltiges Donnern über die Stadt herein, ein
Lärm, wie Bernina ihn nie zuvor gehört hatte. Kanonen wurden abgefeuert und
ihre Geschosse fanden krachend ihre Ziele. Salven aus zahllosen Musketen
ertönten, Schreie aus vielen Kehlen, das verstörte Gekläff von Hunden. Das war
der Angriff Arnim von der Taubers, der Anfang der großen Schlacht.
    Bernina erzitterte erneut, als auch die
beiden Esel angstvolle Schreie ausstießen. Der Kampfeslärm außerhalb des
Stalles hielt an, fast unvermindert, und rasch wurde Bernina

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