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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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dem Stein gesehen hatte. Die Bilder hatten sich
tief in ihr Bewusstsein gebrannt und ließen sich nicht vertreiben.
    Länger als sie es angenommen hatte, blieb
Anselmo weg. Und als er endlich auftauchte, sah sie schon von Weitem einen
Ausdruck auf seinem Gesicht, den sie nicht an ihm kannte. Er wechselte ein paar
Worte mit den anderen, die noch am Brunnen saßen, und lief auf den Wagen zu, in
dem Bernina ihn erwartete.
    »Was ist los?«, bestürmte sie ihn gleich, als er über den Bock ins
Wageninnere kletterte.
    Er musterte sie. »So wie es aussieht, ist es besser, wenn wir hier
nicht allzu lange bleiben.«
    »Wieso?« Erstaunt erwiderte sie seinen Blick. »Du hast doch
gemeint, in Ippenheim würde uns keine Gefahr drohen.«
    »Das glaubte ich tatsächlich. Aber in den letzten Tagen hat sich
anscheinend einiges hier verändert.«
    »Diese Soldaten, die wir gesehen haben? Gehören die etwa zu diesem
Arnim von der Tauber, vor dem sich der ganze Schwarzwald schon seit über einem
halben Jahr fürchtet?«
    »Nein. Doch Arnim und seine Streitkräfte sind offenbar nicht mehr
weit. Die Leute in Ippenheim dachten schon, er würde nicht mehr in ihrer Gegend
auftauchen. Aber dann hat er seine Marschrichtung wieder geändert. Aus welchen
Gründen auch immer.« Anselmo zuckte kurz die Achseln. »Die Soldaten hier sind
Arnims Gegner. Soldaten, die zu den kaiserlichen Truppen gehören. Allerdings
sind sie seinen Streitkräften zahlenmäßig weit unterlegen. Sie erschienen auf
der Bildfläche, um sich in der Stadt zu verschanzen. Womöglich verfolgt er sie
schon länger und hat deswegen Ippenheim als Ziel gewählt.«
    »Kaiserliche Truppen?«, wiederholte Bernina leise.
    Er grinste schmal. »Du weißt nicht viel über die Hintergründe
dieses Krieges, nicht wahr?«
    Bernina schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt nicht. Nur dass er
schon seit nahezu 20 Jahren tobt und damit fast so alt ist wie ich. Aber auf
dem Hof, von dem ich stamme, war man so weit weg von allem. Über Einzelheiten
wurde nie gesprochen. Die Leute haben einfach nur gebetet, dass sich die
Kampfhandlungen nicht bis in unseren versteckten Winkel fortsetzen würden. Wie
gesagt, ich war weit weg von allem.«
    »Ja, das habe ich schon gemerkt.«
    »Du könntest mir mehr davon erzählen.«
    »Wir haben noch etwas Zeit, bevor wir Ippenheim verlassen.«
    »Müssen wir wirklich schon wieder gehen?«
    »Nun ja, wir versuchen, neue Vorräte zu beschaffen, auch wenn das
schwerer wird als gedacht. Außerdem werden wir den Pferden noch etwas Rast
gönnen. Und dann verschwinden wir.«
    »Schade, ich hatte mich so gefreut, mal eine richtige Stadt zu
entdecken.«
    »Das wirst du bestimmt noch. Nur eben woanders.«
    »Könnten wir nicht einen Spaziergang durch die Straßen machen?«
Ausnahmsweise war sie es, die einmal ihn anzwinkerte. »Ach komm, du kannst es
mir einfach nicht abschlagen, Anselmo.«
    »Genau das ist meine große Schwäche«, willigte er schließlich ein.
    Gleich darauf brachen sie auf. Doch an Berninas erstem Eindruck
änderte sich nicht viel. Die Gassen waren zumeist menschenleer. Und die wenigen
Leute, die ihren Weg kreuzten, starrten angespannt vor sich hin.
    »Erzähl mir von diesem Krieg«, erinnerte Bernina Anselmo, auf den
die düstere Stimmung, die den Ort beherrschte, offenbar auch nicht ohne Wirkung
blieb.
    »Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll …«
    »Fang doch einfach mit den Soldaten der kaiserlichen Truppen an«,
schlug Bernina vor. »Für mich sah es so aus, als hätten sie diese armen Leute
gezwungen, den Schutzwall aus Erde zu errichten.«
    »Das war auch der Fall.« Anselmo machte eine knappe Geste mit
seiner gebräunten Hand. »Die größte Angst der Städte ist es, von marodierenden
Soldaten heimgesucht zu werden. Es gibt Orte, die sogar mehrmals unter
verschiedenen Armeen zu leiden hatten. Diese Soldaten sind wie Insektenschwärme
des Todes. Sie verwüsten Felder, klauen das Obst von den Bäumen, schlachten das
Vieh. In Gundelfingen zum Beispiel haben kaiserliche Landsknechte aus den
Kirchenglocken Kugeln für ihre Musketen gegossen. Sie tun, was ihnen beliebt,
pressen das Geld aus den Städten, plündern die Vorratskammern, nehmen sich
Mädchen und Frauen, wie es ihnen passt.«
    »Aber wie kann es sein«, empörte sich Bernina, »dass Soldaten sich
derart aufführen? Wie Räuber? Wie Gesetzlose?«
    »Weil die Kriegsherren die Devise ausgegeben haben, dass der Krieg
den Krieg füttern soll.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Die

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